Übrigens …

Goldberg-Variationen im Schauspielhaus Düsseldorf

„Scheitern, immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern.“

1933 muss der ungarische Jude George Tabori (1914-2007) Deutschland verlassen. Er geht zunächst zurück nach Budapest und emigriert dann nach London. Sein Vater kommt in Auschwitz um, seine Mutter entkommt im letzten Moment. Nach dem Krieg arbeitet Tabori als Drehbuchautor in Amerika, lernt Bertolt Brecht kennen und das Theater lieben. Er ist als Regisseur tätig, gründet eine Theatergruppe und beginnt in den fünziger Jahren, eigene Stücke zu schreiben, in denen er u.a. die Zeit des Nationalsozialismus verarbeitet. 1971 kehrt er nach Europa zurück, arbeitet vor allem am Burgtheater Wien und später am Berliner Ensemble.

1991 inszeniert Tabori selbst die Uraufführung der Goldberg-Variationen am Akademietheater in Wien. In diesem Drama steht das Scheitern, das Versagen als Chance im Mittelpunkt. So sagt Goldberg, der Assistent des Regisseurs, zu Beginn des Abends zu der Putzfrau Mrs. Mopp, die gerade die Bühne reinigt: „Scheitern, immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern“. Zugleich reflektiert Tabori in seinem Stück auch das Entstehen der Komödie und der Tragödie, weil das Werk zugleich die Schöpfung der Welt, die Urgeschichte der Menschheit nochmals auf die Bühne bringt. Mit einem genialen Trick: der Spielort ist ein Theater in Jerusalem. Eine Woche wird dort ein neues Stück geprobt, am siebten Tag soll Premiere sein. So wird die biblische Geschichte, von der Genesis bis zur Kreuzigung, als Genese auch des Theaters erzählt. Als Spiel im Spiel werden zu Bach-Musik einige Schlüsselszenen des Alten und des Neuen Testaments geprobt. Jay, der Regisseur, wird von Karin Pfammatter gespielt. Ein autoritärer, cholerischer, selbst verliebter Mann in einem strahlend weißen Anzug, der eigentlich keine Juden mag. Goldberg, eher der Typ des orthodoxen Juden, ist den Schikanen seines Chefs hilflos ausgeliefert. Sein Widerstand blitzt nur ab und an auf. Rainer Galke, mit Zauselfrisur und altmodischer Brille eher der tapsige Typ, weiß mit kleiner Gestik und manch genuschelten Anmerkung die innere Verfassung dieses geknechteten Assistenten brillant zu spielen. Hervorragend Hanna Werth, die gleich in vier verschiedene Rollen schlüpft: Mrs. Mopp, die Putzfrau mit High Heels, die dümmliche, aber sexy Schauspielerin Terese Tormentina Superstar, die betriebsame Masken- und Bühnenbildnerin Ernestina van Veen und das Goldene Kalb. Auch Heisam Abbas, Konstantin Bühler und Thimo Schwarz glänzen in den unterschiedlichsten Rollen.
Die Inszenierung von Tilo Nest ist gespickt mit Gags und Regieeinfällen, mit den aberwitzigsten Requisiten und Kostümen.

Das Theater inszeniert sich selbst, was einerseits den geistreichen Text oft amüsant bebildert, dann zuweilen aber auch in die Klamotte abrutscht. In diesem Stück geht alles schief, die Technik versagt, das Bühnenbild ist alles andere als genial, die Schauspieler nicht gerade die begabtesten Akteure. All das wird getreu umgesetzt und Dank des düsteren Witzes des Autors gelingt der Abend trotz der bereits geäußerten Kritik.

Für Tabori ist im jüdischen Witz die Katastrophe erträglicher – damit man sie besser aushalten kann. Humor ist für ihn „eine Lebenshaltung, ein Rettungsweg, der zu tun hat mit Toleranz und mit dem Prinzip Hoffnung, dass Weiterleben möglich ist“. Und diese Rechnung geht auch in Düsseldorf auf.