Übrigens …

Im Kopf von Bruno Schulz im Köln, Schauspiel

„So verrückt wird man, wenn man zu lange hier lebt.“

Bruno Schulz (1892-1942) war ein erfolgreicher jüdisch-polnischer Schriftsteller, der 1942 im Ghetto von einem SS-Mann auf offener Straße erschossen wurde. Maxim Biller machte ihn durch seine Novelle Im Kopf von Bruno Schulz unvergessen, in der ihn als jemand zeichnet, der die Schrecken des Nationalsozialismus vorausahnt. Im Kopf von Bruno Schulz herrscht fast permanent die Angst davor, „dass sich schon bald, ganz bald etwas unvorstellbar Schreckliches ereignen würde“. Biller lässt Schulz an einem Novembertag 1938 einen Brief an Thomas Mann schreiben, in der er ihn in Kenntnis setzt über die sonderbaren Begebenheiten in dem polnischen Städtchen Drohobycz. Ein Doppelgänger des verehrten Mann treibe als Agent des NS-Regimes sein Unwesen, um die Vernichtung der Juden in Polen vorzubereiten. Er residiere im Badesaal des örtlichen Hotels, der nur aus einigen in die Decke eingelassenen Duschen bestehe. Schulz hofft aber auch auf die Hilfe des berühmten Nobelpreisträgers bei der Publikation seiner literarischen Werke, um der Enge des Provinznests zu entfliehen, fort in die Freiheit großstädtischen Lebens, wo vielleicht auch seine Angst, „ein großer, warmer, grauer Klumpen“, verschwinden könnte.

Christina Paulhofer zeichnet als Regisseurin verantwortlich für diese Uraufführung. Spielort ist eine Turnhalle mit allen möglichen Geräten: Reck, Schwebebalken, Ringe, Barren, Pferd, eine Sprossenwand an der Bühnenrückwand. Und zahllose Matten. Unwillkürlich fühlt man sich an die eigene Schulzeit erinnert, ist doch die Luft von diesem Schweiß-Turnmief durchtränkt. Schon wenn die Zuschauer in die Halle strömen und sich nach ihren Plätzen umsehen, mühen sich die drei Schauspieler nach besten Kräften an diesen Geräten ab. Durchaus beachtlich ihre Fitness. Ansonsten geht viel von Schulz‘ eigentlicher Geschichte in dem Getöse der Inszenierung verloren. Die Akteure hetzen von einer Turnübung zur nächsten. Sie wechseln oft rasant schnell Kostüm und Rolle. Nicola Gründel und Sean McDonagh sprechen abwechselnd in unterschiedlichen Rollen Passagen der Biller-Novelle. Robert Dölle spielt den von tausend Ängsten und Furien gehetzten Autor, der im wahrsten Sinne des Wortes durchs Leben stolpert, hinfällt und sich andauernd irgendwo stößt. Der Lächerlichkeit preisgegeben, läuft er doch meist in einer langen, weißen Unterhose tollpatschig durch die Gegend. Nur selten gelingen anrührende Momente, so wenn er das jiddische Lied vom Rebbe singt und tanzt oder wenn von dem jüdischen Arzt erzählt wird, der die Praxis zumachte, um nur noch den Kaddisch zu sprechen. Die mehr klamaukigen Elemente überwiegen an diesem Abend, wie die Modenschau mit den abenteuerlichsten Kostümen des Fundus zu dem Song „I’m too sexy…“. Verrückte Requisiten wie ein Geierkopf, eine Art Riesenfantasieblume als Gesichtsschmuck oder kurz aufflatternde Metallvögel sind Gags, die in ihrer Wirkung schnell verpuffen. Der eigentliche Text der Novelle, die bedrückenden Lebensumstände des Bruno Schulz – das alles wird durch Hektik und manchen Aktionismus zu oft übertönt.

Ein großes Lob jedoch den Schauspielern, die in jeder Hinsicht ihr Bestes geben, sowohl physisch wie auch darstellerisch.