Rache für herausgequetschte Augen
Wohl selten sah man einen Vater, der emotional so unberührt seinen ermordeten, mit zerquetschten Augen und aufgeschnittenem Körper daliegenden Sohn betrauert. Zuvor hatten drei martialisch anmutende, moralisch fehlgeleitete und überforderte israelische Soldaten den jungen Palästinenser erschossen, ausgeweidet und verhöhnt. Doch aufgewühlte Anteilnahme beim Publikum? Fehlanzeige. So ist das Beste, was man von diesem Theaterabend im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspiels sagen kann: Er dauert nur siebzig Minuten.
Dabei will uns sein Autor, Israels meistgespielter und 1999 gestorbener Dramatiker Hanoch Levin wohl nur klarmachen, dass sich der Konflikt seines Landes mit den Palästinensern zu einer tödlichen Spirale der Gewalt entwickelte. Recht hat er, schließlich ist 18 Jahre nach Entstehung seines Stückes Mord, erst vor einer Woche in Stuttgart erstmals deutsch zu erleben, die Realität ebenso trostlos wie zu seiner Zeit.
Zugewinn bietet das Stück keinen, schon gar nicht in der holzschnittartigen, oft gar peinlich unprofessionell wirkenden Inszenierung der Israelin Dedi Baron. Einzig Florian Ettis Bühne, ein meterhoher, die gesamte Spielfläche ausfüllender Block, der zunehmend in einzelne Stücke zerbricht, ehe er sich zuletzt in eine Art Steinbruch verwandelt, wird den Ansprüchen eines ernsthaften Theaterabends gerecht. Nachhaltig ins Zuschauerhirn dringen wohl auch die Klagegesänge einer jungen Frau, die einige Male den verbalen Ausbrüchen und Brutalitäten des Abends Struktur verleihen und lyrischen Halt bieten.
Doch wer sich von diesem Theaterabend mehr versprochen hatte als sinnlos brutale und kaum verbundene Szenen, zumal er im Rahmen der „Jüdischen Kulturtage im Rheinland 2015“ präsentiert wird, war im „falschen Film“. Da half auch die Anwesenheit des international wohl bekanntesten israelischen Autors Joshua Sobols nichts, der am Abend danach eine „Urlesung“ seines noch nicht aufgeführten neuesten Stücks König David mit Düsseldorfer Schauspielern präsentierte.
Doch noch einmal kurz zum Mord-Stück Levins, in dem der anfangs so gleichgültig scheinende Vater zum Rächer wird. Zunächst müssen nach und nach die drei Ex-Soldaten sterben, ehe er die auf ihre Jungfräulichkeit pochende, freilich auch erstaunlich sexversessene Braut eines der Männer vergewaltigt. So ganz unangenehm scheint ihr dieser Akt freilich ganz und gar nicht. Aus dem Raubtier der Begierden wurde urplötzlich ein entjungfertes Lamm.
Lebendiges Theater war das alles nicht, nicht einmal ein politisch überzeugender Kommentar. Einfach nur Stück-Werk eines Stücks, das kaum mehr als „freundlichen“ Beifall fand.