Der Sturm im Schauspielhaus Düsseldorf

„Wir sind vom Stoff, aus dem die Träume sind“

Der Sturm war Shakespeares letztes Stück, uraufgeführt vermutlich 1611 am Hofe Jakob I. Ein Zaubermärchen, ein Gedankenexperiment, eine Utopie?
Volker Hesse, den Regisseur verbindet eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus. Unvergessen sein theatralisches Entwicklungsprojekt
Top Dogs von Urs Widmer (1996) und die Uraufführung von Franz Xaver Kroetz‘ „Nicht Fisch nicht Fleisch“ (1981), um nur zwei Beispiele zu nennen.

In Düsseldorf inszenierte Hesse nun eine auf gut zwei Stunden gekürzte Version des Sturms“, wobei er seine „Insel“ auf eine kahle Bühne verlegt – ohne Bezug auf ein bestimmtes Zeitalter oder eine nähere geographische Einordnung. Ein passender Rahmen für die Verhandlung von Themen, die zwischenmenschliche Beziehungen grundsätzlich hinterfragen. „Was ist der Mensch und kann ich Mensch bleiben im Angesicht meiner Sklaven?“ wäre ein Anliegen dieses Märchens. Schauen wir Prospero an (herausragend gespielt von Ernst Stötzner), so zeichnet sich kein positives Bild des Menschen ab. Zwar nachdenklich zum einen, dann wieder pedantisch auf Planung und Durchführung seiner Rache bedacht, hat er scheinbar vergessen, was die Tugenden des Menschen sind. Ihm zu Diensten ist der Luftgeist Ariel (Urs Peter Halter spielt ihn vielseitig, überzeugend), der seinem Herren nur widerwillig und aufmüpfig gehorcht. Schön der Regieeinfall, Ariel auch einmal in dreifacher Version auftreten zu lassen (zwei Statisten sind da hilfreich), um so seine Allgegenwärtigkeit zu zeigen. Karin Pfammatter, die in der legendären, international besetzten Sturm-Inszenierung von Karin Beier (1997) Ariel spielte, überrascht bei Hesse als ein ungewöhnliche Besetzung des Caliban. Man sieht ihn oft als dumpf-plumpen Kerl, Pfammatter gibt ihn als Mischung aus wendigem Naturgeist, Krallenäffchen (auch von der Maske her), Giftzwerg und bösartig züngelndem Reptil. Bewundernswert ihre physische Beweglichkeit.

Hesse setzt in dieser Produktion auf die vielfältigen Möglichkeiten der Bühne. Sie hebt und senkt sich, wird gedreht, schafft mehrere Ebenen. Mühelos werden so immer neue Schauplätze geschaffen (eindrucksvoll, wenn die gestrandete Hofgesellschaft hilflos auf abgesenkter Bühnenmitte durch den Nebel rudert), ermüdend aber auch, weil sich dieser technische Kniff im Laufe des Abends abnutzt.
Klara Deutschmann spielt Miranda, Heisam Abbas (Kammerdiener Stefano) und Andreas Helgi Schmid (Hofnarr Trinculo) unterhalten in bester Slapstick-Manier das Publikum.

Insgesamt aber bleibt dieser Abend im Gedächtnis wegen des großartigen Ernst Stötzner. Wenn Prospero den Epilog spricht, kann man nur gefangen sein – die Worte betören, vergessen das ganze vorherige Getöse.