Glücklich sein in Deutschland
Der Titel ist fast etwas irreführend. Herr Ting, aus dem fernen Osten nach Deutschland gekommen, um das weltweit gepriesene Glück in diesem Lande näher kennenzulernen und darüber in seiner Heimat zu berichten, fungiert vor allem als Stichwortgeber. Stärker im Mittelpunkt von Benjamin Lauterbachs farcenhafter Komödie Der Chinese steht eine deutsche Familie, eine glückliche deutsche Familie, eine so glückliche deutsche Familie, dass es sich kaum beschreiben lässt. Der 40jährige Autor, über Roland Schimmelpfennig zur Dramatik gekommen, treibt ihre Beschaulichkeit, mutig kalauernd, auf die kabarettistische Spitze. Regisseur Rüdiger Pape setzt noch Einiges drauf. Immer wieder lässt er das Lied anstimmen „Froh zu sein bedarf es wenig“.
Lauterbach begann seine Karriere als Bühnenautor mit Beziehungs-Weise (Premiere im April 2011 an den Landesbühnen Sachsen Dresden-Radebeul, dazu Autorenförderpreis). Der Chinese wurde noch vor der Uraufführung in Darmstadt (November 2011) zum Stückemarkt der Berliner Festspiele eingeladen und hat den Weg auch schon ins Ausland gefunden (Scena Theatre Washington). Köln dürfte jetzt die vierte Bühne sein.
Irgendwo war über das Stück über Lauterbachs prototypische Familie die stichflammige Bemerkung zu lesen „Sie sind so grün, dass es schon braun ausschaut, wollen so gut sein, dass es (bereits) böse ist.“ Das mit dem „braun“ darf als Hinweis darauf verstanden sein, dass die Öko-Verrücktheit des Ehepaares Gwendolyn/Alexander als Variante eines schon in unguter Vergangenheit propagiertes „gesundes Volksempfinden“ gelten kann, auch wenn die Handlungszeit von Lauterbach als „einige Jahre in der Zukunft“ deklariert ist. Der Vulkan köchelt halt weiter.
„Wir sind eine gute deutsche Familie“ heißt es am Schluss von Der Chinese noch einmal ganz plakativ. Und „gutes Deutschtum“ verträgt eine Konfrontation mit Fremdem, mit Fremden offenbar nur schwer, wie der gegenwärtige Umgang mit Flüchtlingen drastisch vor Augen führt.
Die ökologische Akzentsetzung Lauterbachs (Stichwort „Heimatfrüchte“) könnte man als etwas schwerlastig empfinden, doch bleibt deutlich, dass der Autor bei seiner Gesellschaftskritik sehr viel weitere Grenzen zieht.
Gleichwohl fehlt es dem Stück ein wenig an Zwischentönen, bei Lauterbach tönt alles laut und grell. Das verdichtet sich zu einer Holzhammermentalität, welche von Papes Inszenierung nicht korrigiert wird. Innerhalb seiner draufgängerischen Regieführung bieten Chris Nonnast (Mutter Gwendolyn) und Sibel Polat (Tochter Maria-Lara) freilich herrlich schrille Typen, Peter S. Herff (Vater Alexander) kaum minder. Als Sohn Niclas fällt Faris Yüzbasioglu allerdings stark ab. Wirkungsvoll die sprachlich exotisch gefärbte Komik von Eva Horstmanns Chinesen. Die Ausstattung (Flavia Schwedler) kommt mir wenigen Möbeln aus, Schiebewände im Hintergrund zeigen die Gesichter der ach so glücklichen Familie.