Übrigens …

Dracula im Köln, Theater am Sachsenring

Großer Stoff, kleine Bühne

 Blutsaugende Vampire gehören zu den personalen Konstanten des Films, ob sie nun den Namen Dracula oder Nosferatu tragen. Zu den Höhepunkten der Kinogeschichte gehören die Nosferatu-Streifen von Friedrich Wilhelm Murnau (1922) und Werner Herzog (1979). Beide erzählen die Geschichte von dem dämonischen Untoten mit sozusagen blutigem Ernst. Zwischen ihnen liegt als Satyrspiel Roman Polanskis Tanz der Vampire“(1967). Der berühmteste Roman über Dracula ist der von Bram Stoker, veröffentlicht 1897. Er entstand keineswegs im literarisch luftleeren Raum. So beschrieb nur wenige Jahre zuvor die Reiseschriftstellerin Emily Gerhard die Nosferatu-Figur, eine Publikation, die Stoker kannte und benutzte. Die Irrenanstalt des Dr. Seward, unmittelbar neben dem Haus gelegen, welches Graf Dracula aus Transsylvanien während eines London-Aufenthalt bewohnt, ist ein Nebenschauplatz im Stoker-Roman. Der Film Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, 1920) stellt es in den Mittelpunkt. Siegfried Krakauers BuchVon Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films"nimmt auf diesen vielschichtigen Streifen nachhaltig Bezug.

So viel „Background“ kann eine Aufführung auf kleiner Bühne wie der des Kölner Theaters am Sachsenring zwangsläufig nicht bieten. Sie lässt auch keine großzügige Ausstattung zu. Aufrecht stehende Holzrahmen, einfache Bänke oder Kisten (Ausstattung: Hannelore Honnen) hat man auf der TaS-Szene schon verschiedentlich gesehen. Das kann freilich durchaus einen spezifischen Charme entwickeln.

Man gewöhnt sich während der gut zwei Stunden Aufführungsdauer auch daran, dass die vier Darsteller in diverse Rollen schlüpfen. Felix von Frantzius beispielsweise ist mit wechselnder Stimme und variablem Körperspiel sowohl Graf Dracula als auch der Irrenarzt Dr. Seward. Signe Zurmühlen verkörpert den jungen Rechtsanwalt Jonathan Harker wie auch die somnambule Lucy, welche später durch einen Vampir-Biss selber zur Untoten mutiert und gepfählt wird. Lucys Freundin Mina, Jonathans Verlobte, spielt Jennifer Tilesi Silke; auch bei ihr kommen andere Figuren hinzu. Dass Julian Baboi sowohl den Prof. van Helsing als auch den irren Patienten Renfield mimt, ist eine besonders pikante Rollenverdoppelung, bei der sich Regisseur Joe Knipp aber ohne weitere auf den „Caligari“-Film berufen könnte, wo der Leiter einer Irrenanstalt sein schizophrenes Innenleben mit äußerer Bonhomie kaschiert. Geschickt nutzt Knipp die räumlichen Möglichkeiten seines Theaterchens, lässt die Darsteller intensiv agieren, durchsetzt das grausige Geschehen gelegentlich mit witzig-skurrilen Momenten oder blendet Szenen am Klavier ein (Beethovens „Mondschein“-Sonate für die mondsüchtige Lucy).

Bei Stoker wird Dracula verfolgt, gestellt und enthauptet, in den „Nosferatu“-Filmen nach einer blutsaugerischen Nacht von der aufgehenden Sonne ins Nichts aufgelöst. Joe Knipp erlaubt sich ein ironisches Finale. Draculas Verfolger erstarren, ihre Gesichter verzerren sich bizarr. Der Vampir scheint sich seine Macht zurückgeholt zu haben.