Von Verrätern und Helden
Ein „Überwachungsabend“? Einer, der uns das Fürchten lehren soll? Zudem ein „transmediales“ Projekt? Im Depot 1 des Kölner Schauspiels drohte vermeintlich Schreckliches. Doch der „Supernerds“-Theaterabend, begleitet und verschränkt mit einer Live-Sendung des WDR mit Bettina Böttinger, die zeitgleich in und aus dem Depot 2 nebenan gesendet wurde, verschreckte nur moderat. All das, was die Autorin und bewährte Recherche-Meisterin Angela Richter an Interviews zusammengetragen hatte, ob mit Julian Assange in der Ecuadorianischen Botschaft in London, ob mit Edward Snowden in Moskau oder anderen Whistleblowern, die zu modernen Aufklärern überhöht erschienen, ist zwar aller Ehren wert, aber auch Schnee von gestern. Nicht viel Neues, ob im Westen oder Osten.
Auch dass der 11. September 2001, das verheerende Attentat auf das Trade World Center in New York, Beginn einer beispiellosen Hysterie wurde, die Sicherheit zum Gott erhob, ist kaum eine neue Erkenntnis. Von nun an hatten die Geheimdienste das Sagen – und mit einer Billion Dollar freie Bahn bei ihrer oft illegalen Jagd auf Terror-Verdächtige. Was bleibt von diesem Donnerstag-Abend in Köln ist eine Inszenierung, die aus dem Material-Wust kaum mehrwertige theatralische Funken zu schlagen vermag. Wort-Theater überwuchert die Szenen, deren Sinn sich zudem nur selten erschließt.
Seine Handys nicht nur nicht abzuschalten, sondern bewusst auf Sendung zu halten, wurde das gespannte Publikum aufgefordert. Ziel und Sinn des Ganzen: Nachdem die meisten Besucher über eine „Akkreditierung“ vor Beginn persönliche Daten freiwillig preisgegeben hatten, durften sie später erleben, wie man sie spielend ausspionieren konnte. Wo sie leben, linksrheinisch oder rechts, ob sie in einem Stadtteil wohnen, in dem Einkommen und Vermögen besonders hoch sind, oder ob sie den Banken als kreditwürdig gelten.
Es ist gleichwohl ein Aufklärungsabend ohne großen Mehrwert. Es sei denn, man ließ sich durch die geschätzt zwei Dutzend kleinen und großen Puppen, riesige Karikaturen von Angela Merkel und Wladimir Putin, vom aufklärerischen Kern ablenken. Ab und zu ließ sich der WDR in Gestalt einer charmant plaudernden Bettina Böttinger blicken. Doch auch sie brachte keinen rechten Schwung ins Bild einer totalen Überwachungswelt. Schon gar nicht in die angestrebte Verzahnung beider Genres. „Intermediale Kommunikation“ wird angestrebt. Das Ergebnis ist bescheiden.
So bleibt sowohl der erwartete Schrecken als auch die Hoffnung auf einen spannend-aufklärerischen Theaterabend weitgehend aus. Der Beifall war höflich. Hoch verdient war er für die fünf Akteure. An deren Spitze die ebenso kleine wie zarte, alle Wallungen von Gefühlen, ob Wut, Verzweiflung oder Lust überwältigend ausspielende Judith Rosmair.
„Gott ist tot“, war sich Nietzsche sicher. Der Kölner „Supernerds“-Abend gipfelt in der erklärten Wiedergeburt eines neuen Gottes: Es ist das alles überwachende Internet.