Alle Tage Wahnsinn
Felicia Zellers „Sozial-Groteske“ Kaspar Häuser Meer bekam 2008 den Publikumspreis der Mülheimer Stücke (über die theater:pur auch in diesem Jahr natürlich wieder berichten wird). Seitdem ist das Stück quasi zum Selbstläufer geworden. Über vierzig Inszenierungen hat es inzwischen gegeben. Und nun steht es auch auf dem Spielplan des Wolfgang-Borchert-Theaters in Münster.
Zeller beschreibt in ihrem Drei-Frauen-Stück den ganz normal-wahnsinnigen Arbeitsalltag dreier Sozialarbeiterinnen beim Jugendamt, die sich unablässig im Hamsterrad beruflicher Überlastung und des Privatlebens bewegen. Der ganz normale Wahnsinn, den jeder von uns kennt. Zeller beschreibt ihn in ganz wunderbaren Sprachkaskaden, herrlich überspitzt und sehr komödiantisch. Eigentlich könnte Kaspar Häuser Meer in jedem x-beliebigen Büro spielen, doch Zeller lässt dann immer wieder Szenen einfließen, in denen es um realistische, tiefe Probleme geht wie Kindsmissbrauch und –vernachlässigung. Da bleibt sie mit ihrer Kritik dann oft an der Oberfläche und die sonst omnipräsente Selbstironie verliert sich bisweilen in Plattitüden.
Gut, dass Regisseurin Kathrin Sievers die Geschichte völlig überdreht. Da fallen diese Schwächen nicht weiter ins Gewicht und heraus kommt eine wirklich urkomische Produktion.
Auf Annette Wolfs Bühne liegen Unmengen von Aktenstapeln herum, fällt zentnerweise Antragspapier durch die Rohrpost hinein ins Büro – das alles ist viel zu viel für die „Drei vom Sozialamt“. Eine anfänglich vorhandene Ordnung wird immer weiter destruiert. Chaos kommt auf, Überforderung allenthalben, Panik letztendlich. Sievers lässt ihre Akteurinnen mal roboterhaft über die Bühne staksen, mal mit resigniertem Blick vor sich hin starrend auf dem Boden kauern.
Und die Drei machen das ganz großartig. Wie sie virtuos und in mitunter rasend schnellem Tempo mit Zellers Text umgehen ist eine Wucht. Alle beherrschen und variieren das Unisonosprechen, können perfekt individuelle Textpassagen mit denen der Anderen verschmelzen. Alice Zikeli als Berufeinsteigerin, die schließlich in Amtsroutine erstarrt, quasi eine Selbstanzeige schreibt. Sabrina vor der Sielhorst ist Sylvia, die immer perfekt funktionieren will und sich dann doch aus dem Fenster stürzt. Und Monika Hess-Zangers Barbara ist herrlich nervig. Sie, die schon etliche Jahre im Amt auf „dem Buckel“ hat, sorgt sich stetig um das Betriebsklima - und die Sauberkeit der Teeküche.
Ein starker Abend dank starker Darstellerinnen und eines toll-überspannten Regiekonzepts!