Übrigens …

Gift. Eine Ehegeschichte im Münster, Wolfgang-Borchert-Theater

Starkes Gift

Am Grab ihres gemeinsamen Sohnes trifft Sie Ihn – ihren geschiedenen Mann, den Sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hergelockt hat. Der Friedhofsboden sei verseucht mit Schadstoffen, so dass ihr Sohn umgebettet werden müssen. Gift eben. Aber eine ganz andere Art von Gift kommt in dem anderthalbstündigen Dialog zu Tage: ein schleichendes, das wegen der Unfähigkeit einer gemeinsamen Trauerbewältigung nicht nur jeden Einzelnen, sondern letztlich auch ihr gemeinsames Leben zerstört.

Die niederländische Dramatikerin Lot Vekemans entwickelt ein sehr leises Gespräch - ohne große Ausbrüche - zweier Menschen, die sich einmal geliebt haben, sich fremd geworden sind. Sie tasten sich aneinander heran, mit Allgemeinplätzen zunächst, dann werden die alten Wunden wieder aufgerissen und Vorwürfe prallen aufeinander. Aber ganz allmählich kommt es zu einem Ansatz von Verstehen oder zumindest zum Nachvollziehen der Gefühle und Gedanken des Anderen. Vekemans schreibt kein perpetuum mobile, sondern zeigt einen Prozess, der sich im Gespräch vollzieht. Das ist durchaus tröstlich. Dass dabei das eine oder andere Mal Aspekte und Gedanken sich wiederholen und auch ein paar Längen entstehen, trübt den Abend dann bisweilen doch.

Meinhard Zanger inszeniert Gift. Eine Ehegeschichte in einem von ihm selbst konzipierten Bild. Und das bildet das Rückgrat des Theaterabends. Neben einem Wasserspender und einem Kaffeeautomaten befinden sich nur noch eine Vielzahl weißer Hocker auf der Bühne. Und die sind ganz wunderbar geeignet, durch Verschieben und Versetzen Nähe, Annäherung oder Distanz zu vermitteln.

Anuk Ens entwickelt facettenreich den Charakter einer Frau, die in ihrer tiefen Trauer gefangen ist, sich nicht zu lösen vermag. Ihre Verbitterung legt sich ganz anfänglich erst am Schluss. Peter Kaghanovitch bleibt zurückhaltend, verlegen ob der Tatsache, dass er sich bereits ein neues Leben geschaffen hat, fast rührend täppisch bemüht, Ihr einen Ausweg zu zeigen – ein wohltuend stiller, leiser Abend im Wolfgang-Borchert-Theater.