Übrigens …

Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm im Schauspielhaus Düsseldorf

Böse-vergnügliche Nabelschau des Theaters

Theresia Walsers Satire Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm kam im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses zur Aufführung. Ein höchst amüsanter Einakter über grundsätzliche Fragen des Theaters, aber auch über tausend Petitessen. Drei Schauspieler sitzen in einem Fernseh-Studio und warten auf ihren Auftritt in einer Show. Hier sollen sie darüber diskutieren, ob Hitler überhaupt und wenn ja, wie dargestellt werden kann. Soll man die Figur „Hitler“ so anlegen, dass die menschlichen Züge herausgearbeitet werden und ihn so eventuell verharmlosen? Oder muss man ihn distanziert darstellen, ihn sich „eisig vom Leibe halten“? Wie sagt Peter Söst (Heisam Abbas), einer der Schauspieler: „Ein guter Schauspieler ist ja auch immer eine eiskalte Sau“. Er und Franz Prächtel (Jonas Gruber), ein von sich und seiner hohen Kunst überzeugter älterer Kollege, haben Hitler schon in einem Film gespielt. Immer wieder wird Bezug genommen auf Bruno Ganz‘ menschelnde-heroische Hitler-Darstellung in Bernd Eichingers Film Der Untergang. Dritter im Bunde ist Ulli Lerch (Andreas Helgi Schmid), ein junger Schauspieler, der Goebbels dargestellt hat. Er ist ein glühender Verfechter eines zeitgemäßen Theaters mit multimedialem Touch. Historische Stücke müssen seiner Meinung nach mit Blick auf aktuelle Themen wie Terror und Tod neu interpretiert werden. Auch ein Hamlet müsse in unsere Zeit gebracht werden, indem man ihn gleich sieben Mal auf die Bühne stellt. Größer als zu Prächtels Ansichten kann der Unterschied, was Theater heute sein soll, nicht skizziert werden. Der ältere Akteur, den man sich gut als Burgschauspieler des alten Schlages vorstellen kann, beklagt den „Bilderwahn“ der Regisseure und ihre Manie, ständig atmosphärische Musik zu unterlegen oder Videos einzusetzen. Überhaupt seien Regisseure nur dazu da, „damit die Kollegen nicht ihre Rollen überschätzen“. Für ihn steht das werkgetreue Theater an erster Stelle: „Künstlerische Freiheit der Regie? Als sei das eine Freiheit, wenn sich an den Theatern Abend für Abend ein paar narzisstisch überdrehte Provokationsdeppen in ihren Selbstbespiegelungen suhlen!“ Wenn er - nach eigener Einschätzung unendlich kostbar - Kleist spreche, dann fühle er sich bereits als Prinz von Homburg. Peter Söst, eher mittleren Alters, pendelt zwischen diesen Polen. Er zollt dem erfolgreichen Kollegen Prächtel zwar dann und wann ein Lob und scheint ihn doch nicht wirklich künstlerisch zu schätzen.

Während die drei Schauspieler auf ihren Auftritt warten, wird die Auseinandersetzung, warum sie auf der Bühne stehen, immer hitziger. Wirklich annähern tun sich die Streithähne nicht, sind doch Eitelkeit, Konkurrenzkampf und verharren in lieb gewordenen Ansichten viel zu dominant.

Marcus Lobbes kann sich bei seiner Inszenierung auf drei perfekt aufeinander eingespielte Schauspieler verlassen, die den ironisch-satirischen Abend zu einem Highlight werden lassen. Köstlich mit ernstem Unterton nicht nur Walsers böse Betrachtung des täglichen Kleinkrieges im Theater, des Wettlaufs um bestimmte Rollen, des Hungers nach Anerkennung, der Neidereien, der verstohlenen und der offenen Allianzen. Wobei diese allzu menschlichen Verhaltensweisen auch in vielen anderen Berufsfeldern vorkommen.

Gelungen auch das Bühnenbild. Die drei Schauspieler, alle in gelber Uniform mit Oberlippenbärtchen, Hakenkreuzarmbinden und braunen Stiefeln, sitzen zu Beginn in wuchtigen Ledersesseln auf einer schwebenden Plattform, umgeben von Hunderten leerer Mineralwasserdosen. Im Laufe des nur 70 Minuten dauernden Abends kommt diese Ebene mehrfach in Schräglage, Sessel und Dosen poltern zu Boden, den Schauspielern wird fast eine akrobatische Körperbeherrschung abverlangt. Was ihnen ebenso mühelos gelingt wie das slapstickartige Servieren der Pointen.

Ein sehr erfrischender Abend dank eines klugen, überaus witzigen Textes und seiner kongenialen Umsetzung in dieser Inszenierung. Sehenswert!