Herrliches Boulevard-Theater mit viel Witz
Es handelt sich beileibe nicht um ein Abendessen für den gleichnamigen Präsidenten des 1. FC Köln, auch wenn das Thema „Fußball“ im neuen Stück des Theaters am Dom Dinner für Spinner eine gewisse Rolle spielt. Versucht doch der Finanzbeamte Matthias Bommes (Tom Gerhardt) bei seinem Chef Ludwig Busch (Stefan Preis), der die Steuerakten von Steffen Weisflog, einem hemmungslosen Frauenheld, hat, die Adresse dessen amourösen Liebes-Appartements herauszufinden. In dem vermutet Peter Küsenberg (Moritz Lindbergh), Gastgeber eines Essens, zu dem Bommel eingeladen ist, gerade seine eigene Frau. Busch ist eingefleischter Gladbach-Fan und zwingt Bommes, bekennender FC Köln-Anhänger, als Gegenleistung zu einer herausgepressten Lobeshymne auf Gladbach ("Ja, und ich schwöre Stein und Bein auf die Elf vom Niederrhein"); eine köstliche Szene wie alles in dieser Inszenierung vom Hausregisseur René Heinersdorff, die nach eher verhaltenem Beginn so richtig Fahrt aufnimmt. Ein intellektueller Freundeskreis um den Verleger Küsenberg lädt monatlich reihum irgendeinen Deppen zum Essen ein, sei es ein Taubenzüchter, ein FKKler oder jemand aus einer Selbsthilfegruppe. Man möchte auf Kosten des möglichst spinnerten Gastes lachen, was dieser aber nicht merken soll; ein zynisches und menschenverachtendes Ritual. Bommes soll wieder ausgeladen werden, da Christine, die Frau des Verlegers (Tina Seydel), diesem soeben mitgeteilt hat, sich von ihm zu trennen und lautstark die teure Wohnung mit großflächigen modernen Gemälden verlassen hat. Zu spät, Bommes steht schon in der Türe.
Dieser Obertrottel der absoluten Spitzenklasse, ein überaus hilfsbereiter Gutmensch, der zielsicher in jedes Fettnäpfchen tritt, ist ein leidenschaftlicher Streichholzbastler, der sich stundenlang über die Statik einer hölzernen Kopie der Autobahnbrücke Leverkusen auslassen kann und sorgsam immer wieder seine mitgebrachten Fotos nach dem Entstehungsdatum der Objekte sortiert. Eine Paraderolle für Gerhards, Comedy-Star der 90-er, von seinen TV-Fans geliebt als „Hausmeister Krause“; er wollte gerne mal Theater im Ensemble spielen. Und das ergab sich, als er in der Produktion in Düsseldorf für die Kollegin Gudrun Landgrebe einspringen konnte. Es ist schon anrührend, wie Bommes als sympathischer Tollpatsch eilfertig hilft, bevor er nachdenkt, sich tölpelhaft bewegt, den Anrufbeantworter seines Gastgebers neu und furchtbar bespricht. Mit hellblauem Pullover und ständigem freundlichen Grinsen leidet er sichtlich mit am Los des Verlegers, der sich just beim Heben einer Magnum-XXXL-Champagner-Kiste mit seinen Steuerunterlagen einen mordsmäßigen Hexenschuss zugezogen hat, welcher ihn das ganze Stück bei sichtlich hervorragender Körperbeherrschung verfolgt. Denn auch Bommes ist vor kurzem seine eigene Frau weggelaufen, die er an jedem einzelnen Streichholz seiner Werke hat teilhaben lassen. Wen wundert es.
Der pingelige Finanzchef bringt die Akten persönlich vorbei und entdeckt mit seinem Fahndungsblick prompt eilig weggeräumte Möbel und Nägel, vor denen vorher die schnell versteckten Bilder hingen.
Viele Kleinigkeiten der Regie erfreuen: Küsenberg verdeckt mit dem Ärmel seine kostbare Rolex, verschlechtert mit Essig den kredenzten Wein, Busch zieht für das bereitgestellte Essen seinen eigenen Salzstreuer aus der Tasche. Und Bommes macht mit seinen Telefonaten das Chaos komplett; wenn er merkt, dass er Mist gebaut hat, will er gleich wieder zum Telefonhörer greifen, da möchte man ihn am liebsten etwas knuddeln. Die Verwirrung ist komplett, als die schicke Marlene (Doppelrolle von Tina Seydel), die Freundin von Peter, auftaucht und alle versteckten Steueroasen ihres Lovers ausgeplaudert. Und der Schriftsteller Steffen Weisflog (Steffen Laube), ehemals bester Freund von Küsenberg, seine nymphomanischen Neigungen offenbart; der Finanzchef muss sich auch noch anhören, dass seine eigene Frau gerade unter dem Weiberheld liegt. Er schwört mit der gerade laufenden Steuerprüfung böse Rache.
Schlussendlich erfährt Bommes, hinter dessen ausgefallenem Hobby eine tiefe Menschlichkeit steckt, den wahren Grund für die vermeintlich großzügige Einladung. Er hat unwissentlich und zu Recht den Spieß umgedreht und sich für all die Idioten gerächt, die jemals vor der Clique eingeladen wurden. Und der Verleger schlägt in ehrlicher Selbsterkenntnis vor, bei der nächsten Einladung selbst mal diesen Idioten zu spielen. Ein schöner und richtiger Schluss eines amüsanten Theaterabends mit einem durchgängig blendenden und sehr spielfreudigen Team, spritzigen Dialogen, unerwarteten Wendungen und zahlreichen Regiegags, aber auch mit viel unter der Komik verstecktem zwischenmenschlichem Tiefgang. Das Premierenpublikum demonstrierte mit zahlreichen Lachern und heftigem Schlussapplaus zu Recht große Begeisterung.