Übrigens …

Antichrist im Horizont Theater Köln

Bröckelnde Paarbeziehung

Wer den dunkel destruktiven Beziehungs-Film Antichrist von Lars von Trier nicht im Kino gesehen hat, kann das auf Youtube nachholen. Um sich die optische Subtilität und Bildmacht des die Zeitlupentechnik ausgiebig nutzenden Streifens vor Augen zu führen, genügt für’s Erste sogar die Ouvertüren-Sequenz. Die erotische Direktheit des Films, durch die Mitwirkung von Bodydoubles und raffinierte Schnitttechniken auf eine naturalistische Spitze getrieben, war und ist für viele Zuschauer schwer erträglich. Eine Zeitungskritik sprach mal resümierend von dem „meistgehassten Film 2009“.

Wie viel von den Depressionsgefühlen, welche den dänischen Regisseur seit Jugendtagen quälend begleiten, in sein Sujet eingeflossen sind, ist nicht leicht zu entscheiden. Lars von Trier selber sagte in einem Interview im Jahre des Filmstarts: „Irgendwo in meinem kranken Kopf existieren eben diese Bilder.“ Doch mit Sicherheit diente die gewalt- und erosgesättigte Extrovertiertheit von Antichrist auch der Abwehr von Kindheitseindrücken. „Meine Familie hatte sehr genaue Vorstellungen von Gut und Böse, von Kitsch und guter Kunst. Mit meiner Arbeit stelle ich all das in Frage. Ich attackiere die Gutmenschen-Philosophie, die in meiner Familie herrschte.“ So der Regisseur.

Der Film dauert über zwei Stunden, die Fassung des Kölner Horizont-Theaters lediglich eine. Was muss da nicht zwangsläufig alles an Bedeutungssignalen, Zwischentönen und emotionalen Details verloren gegangen sein. Das Theater teilt nicht mit, wer für die Bühnenfassung verantwortlich ist. Zu vermuten steht vor allem der Regisseur Jürgen Clemens.

Seine Inszenierung beginnt mit einer eigenen „Ouvertüre“, nämlich dem akademische Vortrag eines Psychologen, dem Gatten seiner „Patientin“. Beide tragen an dem Verlust ihres kleinen Sohnes Nic, der aus dem Fenster der hoch gelegenen Wohnung zu Tode stürzte. Warum, das deutet nur der Film an. Der Junge beobachtet nämlich eine leidenschaftliche Sex-Szene der Eltern. Um den Tod des Jungen zu verarbeiten, zieht sich das Ehepaar in eine Waldhütte zurück, im Film mit nebeligen, herbstlich tristen Bildern eingefangen.

Das „Horizont“ vermag nur die nackte Bühne zu bieten. Auf ihr haben die unheimlichen Tiergestalten des Films natürlich keinen Platz, das Spiel verdünnt die symbolschwangere Atmosphäre des Films zu einer therapeutischen Sitzung, bei der Gefühle freilich immer wieder mal auflodern. Das Leiden des Ehepaares wird dank der intensiven, sich immer wieder in Schreie steigernden Silke Natho und dem eher charaktersanften Georg Lenzen durchaus deutlich. Das vom Film evozierte anarchische Emotionsumfeld fehlt jedoch, tiefere Schichten der essenziellen Beziehungskrise werden allerdings nur schemenhaft erkennbar. So verlässt man das Theater einigermaßen unberührt.

Bei Schauspiel Köln wird demnächst Dogville wiederaufgenommen, gleichfalls Adaption eines Trier-Films. Die unterschiedlichen Stoffe lassen einen wertenden Aufführungsvergleich allerdings nur sehr bedingt zu.