Übrigens …

Der Prozess im Orangerie-Theater Köln

Apokalyptisches Labyrinth

Die Südstadt Kölns verfügt um den Clodwigplatz herum über eine größere Anzahl von Theaterhäusern: Keller, Sachsenring, Freies Werkstatt Theater, Comedia, Orangerie. Die Orangerie ist ein freies Theaterhaus (also ohne festes Ensemble) und stellt seine Räumlichkeiten seit fast zwanzig Jahren freien Gruppen und Regisseuren zur Verfügung (derzeit sind es 13), deren Konzepte sich zwischen Performance, Multimedia und anderen experimentellen Stilen bewegen. Falls das Haus mal nicht gebucht ist, kann es (samt Umgebung mit dem weitläufigen Volksgarten) auch für private Zwecke (Feiern o.ä.) genutzt werden. Den Reiz des Areals hat ein Fotograf einmal so beschrieben: „Die Orangerie hat einen etwas herben Charme. Es ist halt nicht alles top renoviert. Hier und da blättert etwas der Putz und die Farben sind auch nicht mehr die frischesten. Das macht aber das Ambiente locker wieder wett.“

Eine aktuelle Theaterproduktion kommt jetzt von neuesschauspielköln, wo in wechselnden Besetzungen, mit unterschiedlicher Aufgabenverteilung und in unregelmäßigen Abständen alle möglichen Projekte verwirklicht werden. Der für sich genommen relativ neutrale Raum der Orangerie lässt sehr unterschiedliche szenische Konzepte zu, fordert sie geradezu heraus. Bei Der Prozess nach Franz Kafka gibt es allerdings nichts Extravagantes. Im Hintergrund sind drei Fernsehapparate zu sehen, auf der Spielfläche (von arenaartig angeordneten Zuschauerreihen umgeben) stehen einige Wannen. Licht spielt raumgliedernd mit.

Kafkas Roman, sachlich nüchtern, fast spröde, scheint sich gegen eine Dramatisierung zu sperren. Zu den wenigen Versuchen gehört die 1953 entstandene Oper von Gottfried von Einem, der literarisch freilich immer gerne hoch griff. Regisseur Jürgen Clemens, der vor kurzem am Horizont-Theater den Film Der Antichrist von Lars von Trier etwas mühevoll in Bühnenrealität umzusetzen versuchte, kämpft nun auch mit Kafka. Auf den Bildschirmen sieht man die Vorbereitungen zu einem TV-Interview mit Josef K. ablaufen, der gemäß des Darstellers Frank Musekamp als Frank angesprochen wird. Das ständige Intervenieren der Regieassistentin ist schon mal etwas nervig. Später versteht man nicht immer ganz, warum einem welches Gesicht – bewegt oder eingefroren – präsentiert wird.

Die von Kafka im Vorfeld des Ersten Weltkrieges geschilderte Situation ist grotesk, aufwühlend, ein Albtraum: Verhaftung aus unbekannten Gründen, ins Leere laufende Auseinandersetzungen mit irgendwelchen fischig ungreifbaren Amtspersonen, dazwischen erotische Erlebnisse, am Ende Hinrichtung in einem abgelegenen Steinbruch. Interpretationen bietet sich ein weiter Radius, vor allem, wenn man versucht, Kafkas Biografie einzubeziehen (jüdische Existenz, familiäre Abhängigkeit u.a.).

Das tut Clemens nicht. Er sieht die in Schwarz gehüllten Figuren (vier neben dem Darsteller des K.) offenkundig als Todessymbole, als höllische Figuren, welche nur hier und da (so im Falle von K.s Onkel) skurrile Züge annehmen. Doch insgesamt ist die Inszenierung ein Danse macabre, ohne freilich die lastende Stimmung eines solchen Bild werden zu lassen. Schreien und Singen bringen nicht viel. Eindrücklich immerhin das finale Bild: K. in einer aufrecht gestellten Wanne, seinem Grab.

Umgeben von Melanie Wäsch, Nadine Pungs, Richard Hucke und Guido Grollmann spielt Frank Musekamp den K., jung und in hellem Dress fast wie ein Sportsmann wirkend. Züge von Angst und Bedrohung fehlen ihm weitgehend. Überhaupt geht der ganze, nahezu zweistündige Abend ein bisschen sehr an Kafkas beklemmender Düsternis vorbei.