Ringelreigen im Hotel
Eine Ehefrau will ihren Gatten beim Seitensprung ertappen. Deshalb lässt sie von ihrer Freundin einen gefakten Liebesbrief schreiben, den wiederum der eifersüchtige Gatte der Freundin in den falschen Hals bekommt. Dazu ein Neffe, der nur Vokale sprechen kann, aber ein Verhältnis mit dem Hausmädchen hat, ein sexsüchtiger Arzt und ein merkwürdiger Engländer, der tatsächlich nicht Französisch spricht. Und dann hat der inkriminierte Gatte auch noch einen Doppelgänger. Schließlich treffen sich alle auch noch in einem Seitensprung-Hotel.
Da vereinen sich wirklich alle Elemente einer Boulevard-Komödie. Und nichts anderes ist Georges Feydeaus Floh im Ohr. Darüber kann auch keine Übersetzung von Elfriede Jelinek hinwegtäuschen. Boulevard also in Münsters Großem Haus? Warum?
Nicht ungeschickt führt Regisseur Christian Brey das Genre vor, indem er die Elemente überspitzt und so zur Schau stellt. Allein das Bühnenbild spricht Bände: Türen, Türen, Türen. Möglichkeiten zu Auf- und Abgängen ohne Ende. Anette Hachmann schafft geradezu das Klischee einer Boulevard-Bühne. Und Christian Brey nimmt diesen Gedanken auf, arbeitet mit endlosen Wiederholungen, irrem Tempo einerseits, gedehnten Slapstick-Einlagen andererseits. Er seziert alle Charakteristika des Boulevard. Das lässt sich wunderbar an, macht zunächst ganz großen Spaß. Doch irgendwann laufen sich diese Ideen tot, werden zu oft wiederholt. Es passiert einfach nichts mehr, was nicht schon mal da war. Und das ist bei der nicht unerheblichen Dauer des Abends einfach zu wenig. So zieht sich gerade die übliche Auflösung aller Verwechslungen ziemlich in die Länge.
Spaß macht das Ensemble – von Anette Hachmann in Sechziger-Jahre-Kostüme gesteckt. Alle beleben die darzustellenden Typen auf das Feinste, setzen auf’s Klischee noch eins drauf.
Mark Oliver Bögel als unschuldig verdächtigter Ehemann und simpler Hausdiener zugleich schafft das Wechselspiel zwischen beiden Rollen perfekt. Carola von Seckendorff und Claudia Hübschmann sind eine Ohren- und Augenweide als intrigierende Freundinnen in harmlosen Flower-Power-Kleidern. Daniel Rothaug liefert die schmerzfreie Karikatur eines heißblütigen Toreros – herrlich.
Ronny Miersch als vielleicht doch nicht ganz heterosexueller Doktor, Lilly Gropper als Zofe, die es faustdick hinter den Ohren hat, Jonas Riemer als ebenso feuriger wie feiger Liebhaber und Ilja Harjes als Hotelchef spielen gekonnt mit Typisierungen. Ein Sonderlob bekommt Maximilian Scheidt als Camille: einen ganzen Abend nur Vokale - und trotzdem völlig verständlich.
Das Publikum applaudierte freundlich, was die Inszenierung betrifft - zeigt sich begeistert aber dem Ensemble gegenüber.