Krude Komikkost
Wenzel Storch! Wer darin einen so genialischen wie skurrilen Künstlernamen vermutet, liegt leider falsch. Schade eigentlich, doch der Mann heißt wirklich so. Geboren 1961 in Braunschweig, Spross einer bürgerlichen, erzkatholischen Familie, dürfte er sich allerding des Spottes mancher Mitschüler sicher gewesen sein. Die von ihm selbst beschriebene Strenge des Elternhauses, der Jahre währende Einsatz als Messdiener, später die „Zwangsarbeit im Altersheim“ (wohl statt Wehrdienst) – Storchs Jugend war eher eine der schweren Art.
Die Flucht aus allem führte ihn zur Kunst. Drei Filme zählen zu seinem Werk, Low-Budget-Produktionen, die als stark surrealistisch eingestuft werden, von der Kritik wahlweise bejubelt („Barocke Bilderpracht“) bis verdammt („schweineschlecht“). Wir gestehen, von diesem Menschen namens Wenzel Storch bisher nichts gehört zu haben, nun aber hat das Schauspiel Dortmund ihn unter Vertrag genommen. Mit kirchenkritischen Stücken, die als kalauerndes Volks- und Bauerntheater daherkommen. Komm in meinen Wigwam (letzte Spielzeit), und nun Das Maschinengewehr Gottes, annonciert als Kriminalburleske aus dem Messdienermilieu.
Kurzerhand wird die Spielstätte, das Studio, von einem beflissenen Conférencier zum Gemeindesaal bestimmt, dann geht der quietschviolette Vorhang auf, ein Bächlein murmelt, inmitten der Bühne ein Beichtstuhl nebst Rankengewächs, links und recht verfallenes Gemäuer. Willkommen in der katholischen Gemeinde Nesselrode, dessen Kirche von einem trunkenen Bauern arg zugerichtet wurde, sodass der Pfarrer, der im Suff sein Gotteshaus zugunsten dieses Brachiallandwirts verspielt hatte, schlicht abgehauen ist. Zurückgeblieben sind Ruinen, ein Oberministrant und zwei Messdiener.
Das fromme Trio nächtigt in eben jenem Beichtstuhl (sexuelle Anspielung!) und sucht in einem Versandkatalog – gedruckt, versteht sich – einen neuen Kaplan (Kirchenmänner sind auch bloß Ware!). „Gottes Maschinengewehr“, von einem akkurat uniformierten Postboten gebracht, gilt als besonders cool, doch die Enttäuschung ist riesig: Der Mann ballert um sich, mit Waffe und Worten gegen die verruchte Welt, mit Parolen aus den Nachkriegsjahren, als hätten wir den leibhaftigen Wanderprediger Pater Leppich vor der Nase. Bald wird indes klar: Die Sprache des Gewehrs ist die eines Roboters. Gott sei Dank!
Die Maschine wurde offenbar bei einem Frauenorden in Oberschlesien (bei den Evangelischen, in der Ostzone, igitt) angefertigt. Domina (!) soll eine gewisse Schwester Ejaculata sein (wie lustig). Kurzerhand macht sich das Ministrantentrio auf den Weg dorthin, findet den „Orden der Barmherzigen Seepferdchen“, deren erste Frau indes längst dem Wahn verfallen ist. Schuld daran seien die Oblaten des unheimlichen „Hostinettenbärs“ – den kennen wir als „Erklärbär“ aus dem Goldenen Zeitalter, da war er zigmal spaßiger. Dann ist eine Stunde rum, und da zehn Minuten später alles vorbei sein soll, taucht plötzlich der Weihbischof auf, im Gefolge der vermisste Kaplan aus Nesselrode, die Ministranten werden kurzerhand befördert. Polonaise, Klatschmarsch – Vorhang.
Wenzel Storch ist ein Anspielungs-Spieler, ein Wortwitz-Drechsler, ein Assoziationen-Herbeikitzler. Es gibt manche Lacher. Wir hätten darüber wahrscheinlich auch gekichert – als pubertierende Pennäler. So bleibt nur gequältes Schmunzeln über fade Komikkost, über ein nein ach so nettes Bühnenbild (Pia Maria Mackert). Storch wirft nicht mit Pfeilen, sondern mit Flaumfedern. Er entpolitisiert (als ehemaliger „konkret“-Kolumnist!) und setzt auf Kurzweil, wenn auch dramaturgisch etwas ungelenk.
Immerhin bietet der Regisseur Storch, der gern mit Laien arbeitet, eine einigermaßen hübsche Typenparade. Allen voran Andreas Beck als eiferndes Gottesgewehr, trunkener Bauer, dralle Wirtin oder beflissener Bischof. Ekkehard Freye wirkt als Postbote wie aus idyllischem Operettenland gefallen. Etwas steif Thorsten Bihegue als Oberministrant, die kecken und verschmitzt dreinblickenden Messdiener Finnja Loddenkämper und Leon Müller bieten da mehr Profil. Allesamt herzig die Nonnen, darunter Damen des Dortmunder Sprechchores.
Gleichwohl: Wenzel Storch lässt uns kalt. Auf der Beurteilungsskala zwischen ganz toll und „schweineschlecht“ wählen wir ein beherztes „Na und?!“