Wenn ich König sein soll, wo ist meine Macht?
David Seidlers Drama The King’s Speech ist die Grundlage des gleichnamigen, mit vier Oscars ausgezeichneten Films, der die Geschichte des späteren englischen Königs Georg VI. erst bekannt gemacht hat.
Albert, Herzog von York, zweitgeborener Sohn des britischen Königs, soll 1925 im Wembley Stadion die Abschlussrede der Empire-Ausstellung halten. Albert, Bertie, wie er in der Familie genannt wird, bringt kein Wort heraus. Er ist Stotterer. Alle bisherigen Versuche einer Sprachkorrektur sind fehlgeschlagen. So greift seine Ehefrau Elizabeth zu einer unkonventionellen Lösung. Sie nimmt Kontakt zu dem australischen Sprachlehrer Lionel Logue auf. Dieser besteht von Anfang an darauf, dem Herzog von York auf Augenhöhe zu begegnen. Trotz eines ersten erfolgreichen Schrittes in der Therapie – Logue lässt Bertie einen Vortrag auf Schallplatte sprechen, mit erstaunlichem Erfolg - bricht Albert die Behandlung ab. Erst nachdem sein Bruder Edward, der neue König, schon nach einem Jahr abdankt – will er doch nicht von seiner großen Liebe, der zweimal geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson lassen – und somit Albert als künftiger König Georg VI. gilt, sucht dieser Logue wieder auf, um die Therapie fortzusetzen. Insbesondere soll er ihn auf die Krönungszeremonie in Westminster Abbey vorbereiten. Dem Erzbischof von Canterbury missfällt Logues zentrale Rolle, doch es gelingt ihm nicht, den König von seinem Sprachlehrer zu trennen.
Als das Vereinigte Königreich nach dem deutschen Angriff auf Polen dem Deutschen Reich am 3. September 1939 den Krieg erklärt, steht Logue dem König bei seiner wichtigsten Rundfunkrede zur Seite. So gelingt es diesem, gefühlvoll und fehlerfrei zu sprechen.
Alexander Marusch inszenierte The King’s Speech im intimen Rahmen des Studios im Neusser RLT. „Im Film funktioniert die Geschichte über die Zeit und ihre Darstellung, im Theater geht das nicht“, so der Regisseur. Die Kostüme weisen auf die 1930er Jahre hin. Das Bühnenbild bleibt ohne jeglichen Requisiten minimalistisch – ein grauer Raum mit einem grauen Podest mit wenigen Stufen in der Mitte. Projektionen, meist in Schwarz-Weiß, auf die Rückwand reichen jedoch absolut aus, um verschiedene Akzente zu setzen bzw. den historischen Kontext zu zitieren. So sehen und hören wir eine Wochenschauaufnahme einer Rede Hitlers. Ein Portrait des Königs suggeriert mühelos , dass wir uns im Palast befinden. Ein Kirchenfenster zeigt Westminster Abbey an.
Zweifelsohne aber im Mittelpunkt des Abends stehen Andreas Spaniol als Bertie und Stefan Schleue als Logue. Allen Vorbehalten und Startschwierigkeiten zum Trotz erleben wir, wie sich hier eine Freundschaft zwischen zwei Männern entwickelt, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Großartig, wie intensiv Spaniol zunächst Berties physische Anstrengung, ein paar Worte herauszubekommen, spielt. Glaubhaft auch seine Jähzornsanfälle und arroganten Attitüden, wenn er Logue als „hergelaufenen Cowboy aus dem Outback“ beschimpft. Bewegend seine Rede an die Nation, unterstützt von Logue (hervorragend: Schleue), der beharrlich seine unkonventionellen, aber effektiven Methoden verteidigt. Hergard Engert ist eine überzeugende Gattin Alberts, die ihn unbeirrt unterstützt.
Ein anrührender, aber auch dank des humorvollen verbalen Schlagabtausches zwischen den Protagonisten ein sehr unterhaltsamer Abend.