Der Erfolg heiligt die Mittel
Alan Ayckbourn, geboren 1939 in London, ist zugleich Schauspieler, Regisseur und Autor unzähliger Stücke (105 in 57 Jahren). Kein anderer englischer Dramatiker prägte das britische und internationale Theater seit den 1960er Jahren mit einer solchen Kontinuität. Seine „well-made plays“ wurden nicht umsonst in zahlreiche Sprachen übersetzt. Allen gemeinsam ist, dass sie so gebaut sind, dass sie auf der Bühne gut funktionieren. Sprachwitz, Klischees und Situationskomik garantieren Erfolg beim Publikum, obwohl sie deshalb nicht nur auf oberflächliche Boulevardkomödien zu reduzieren sind. Unvergleichlich Ayckbourns Talent, Geschichten in Szene zu setzen, in Dialoge zu verwandeln – und das mit sozialer Fantasie und dramatischer Präzision.
Familiengeschäfte, 1987 am National Theatre uraufgeführt, entstand zu einer Zeit, wo die City in London boomte. Ayckbourn geht es darum, das Menschliche in dieser auf Erfolg gepolten Gesellschaft zu zeigen, wo Sex, Geld und Macht im Mittelpunkt stehen. Ein Up-date ist seiner Meinung nach nicht nötig: „We’re still as awful as we were then“. Und daran zerbricht auch beim „Small Family Business“ der letzte Schein von Moral, zerbrechen die Werte einer Durchschnittsfamilie von heute.
Jack McCracken hat soeben von seinem Schwiegervater, dem Firmengründer, die Leitung einer Möbelfabrik übernommen. Mit allen Idealen der Selbstbescheidung, mit Fleiß und Ehrlichkeit will er dem Familiengeschäft neuen Schwung verleihen. Dabei bekommt er es nicht nur mit seinen anderen, mehr oder weniger in der Firma involvierten Familienmitgliedern und den verschiedenen Brüdern der italienischen Familie Rivetti zu tun (von wegen Liebhabern in Kleiderschränken). Es gibt da auch einen Privatdetektiv, der auf den ersten Blick ähnliche Ideale wie Jack zu verfolgen scheint. Und der Krimi beginnt.
Eine fast klassische, immer turbulenter werdende Enthüllungskomödie gerät in Gang. Jack versinkt mehr und mehr im Sumpf der familiären Geschäfte, die da sind: Ladendiebstahl, Unterschlagung, Exportbetrug, Steuerhinterziehung, am Ende sogar Mord. Je mehr Jack sieht, desto blinder wird er für alle moralischen Skrupel, hat er doch das Familiengeschäft längst nicht mehr in der Hand. McCracken unterscheidet sich am Schluss nur noch dadurch von den anderen, dass er als einziger nicht des persönlichen Gewinns wegen mitmacht. Sondern nur, um den äußeren Anschein von Glück und Würde der Familie aufrecht zu erhalten. Getreu dem Motto: The business must go on.
Marius von Mayenburg, Autor und Regisseur, inszenierte die Familiengeschäfte. Ihm gelang eine turbulente, spritzige Produktion, bei der er sich auf ein ausgezeichnetes Ensemble verlassen konnte. Allen voran ist Michael Schütz als Jack zu nennen, der zweifelsohne im Zentrum des Abends steht. Glaubhaft sein Wandel vom Biedermann zum Mittäter, quasi zum Brandstifter wider Willen, dem das Wohl der Familie über alles geht. Florian Lange, Friederike Becht, Bettina Engelhardt, Minna Wündrich sind u.a. Akteure in dieser Farce, in der das Timing stimmt und wo sich das Publikum über die zahlreichen, gekonnten Slapstick-Einlagen und die blitzschnellen, auf den Punkt gebrachten Szenenwechsel köstlich amüsiert. Torsten Flassig als Privatdetektiv Benedict Hough ist der eigentliche Gegenspieler Jacks. Äußerst wandlungsreich, mal vorsichtig und unterwürfig, später zunehmend dreist und opportunistisch. In seiner Körpersprache erinnert er zuweilen an „Mr Bean“.
Das Bühnenbild zeigt den offenen Querschnitt eines zweigeschossigen Hauses mit Küche, Bad, Wohnzimmer und Treppenhaus. Dank der Drehbühne wird Ayckbourns Vorlage, dass dieses Haus als Ort für verschiedene Häuser der Familie dienen soll, mühelos erfüllt.
In der zweiten Hälfte nach der Pause lässt die Spannung etwas nach. Dennoch lohnt sich der Besuch dieser temporeichen Farce allemal, gibt es doch witzige Regieeinfälle, gelungene Dialoge und sehr gute Schauspieler zu bewundern.