Übrigens …

Fremde Verwandte im Köln, Theater am Dom

Generationengerangel

„Wenn der Sohn älter ist als die (Stief-)Mutter und der Liebhaber jünger als die Tochter, so kann es vorkommen, dass man den Bruder für den Enkel des Vaters hält und die Schwester für die Großmutter des Sohnes". Diesen Text aus dem Programm des „Theater am Dom“ muss man sich erst einmal verinnerlichen; nicht ganz so einfach. Als letztes Stück der Spielzeit hat das Kölner Boulevardtheater wie so oft einen herrlichen Lach-Knüller auf die Bretter gebracht, ersonnen wiederum vom Erfolgsautor René Heinersdorff. Der Titel lässt es ahnen: Paare mit sehr großem Altersunterschied, unklaren Verhältnissen und dessentwegen erheblichen Problemen. Da ist einmal der Grandseigneur Heinz (Hans-Jürgen Bäumler); ein erfolgreicher Architekt, der mit 70 noch ein Kind gezeugt hat. Das ist ja nicht ungewöhnlich – nur ist seine (dritte) Frau Nicole (Jeanine Burch) jünger als sein ältester Sohn aus erster Ehe. Sie ist ein blondes luxuriöses Dummchen mit einem fatalen Hang zu total falsch angewandten oder ausgesprochenen Fremdwörtern, die immer wieder großes Gelächter hervorrufen. Während sie sich auf dem Sofa ihres „Lebensberaters“ Kai (Thomas Gimbel) hinfläzt, weil sie ihre 49 kg für zu viel und ihre Ohrläppchen für zu dick hält, muss sich Heinz in der Kita, die von Sonja (Simone Pfennig), der Frau des Lebensberaters geleitet wird, um seinen kleinen Sohn kümmern, den natürlich alle für seinen Enkel halten. Das ist schon schwierig genug. Aber das reicht nicht, Heinz bandelt auch noch heftig mit Sonja an, die unbedingt ein Kind von ihm will.

Marita (Marianne Rogée), die 70-jährige vollbusige Mama von Sonja, ist auch nicht gerade ein Kind von Traurigkeit, hat sie doch mit Pascal (Ralf Komorr) einen 20 Jahre jüngeren Lover und Sohn von Heinz aus erster Ehe; den will sie allerdings zu dessen großen Leidwesen abservieren zu Gunsten eines noch Jüngeren. Und das ist ausgerechnet der korpulente Kai (Thomas Gimbel), Ehemann von Sonja und ihre neue große Liebe – sogar schon seit zwei Tagen, wie sie ihrer Schwiegertochter verrät. Die komplexen Paar- und Verwandtschaftsverhältnisse entziffert man erst nach und nach, das ist ein Reiz in dieser anmutigen und luftig-kurzweiligen Komödie.

Herrlich und sehr originell sind auch die zahlreichen Giftpfeile, Spitzen und Frechheiten zwischen Marita und ihrem Schwiegersohn Heinz, die ständig abgeschossen werden, ob es um das Älterwerden, die Vergesslichkeit, die fragilen Beziehungen oder die körperliche Fitness geht. Leider schafft es auch der angeblichen Psychologe Kai, ob nun mit oder ohne staatliche Lizenz, nicht, das Knäuel von Amouren, Beziehungen, Leidenschaften und hintergründigen Anfeindungen zu entwirren. So stehen alle zum Schluss mehr oder weniger alleine da – aber dann finden sich die passenden Paare doch noch.

Der Regisseur Horst Johanning hat auf zwei im Wechsel beleuchteten Spielhälften der Bühne vor den Skylines von Düsseldorf und Köln und mit den Kostümen von Katrin Kammann eine durchgängig temporeiche Inszenierung hingelegt, sehr unterhaltsam, spannend und ganz ohne jeden Leerlauf. Hinter den beiden Stars des Stücks, Hans-Jürgen Bäumler, der nach seiner sehr erfolgreichen Sportkarriere eine Schauspiel-Ausbildung absolviert hatte, und Marianne Rogée, die 23 Jahre die Isolde in der Lindenstraße gespielt hatte, mussten sich die anderen Mimen in keiner Weise verstecken; jeder füllte seine Rolle perfekt aus. Das war ein sehr erfreulicher Theaterabend, der mit reichlich Applaus bedacht wurde; mit hoher Spielfreude, mit galliger Selbstironie, mit geschliffenen geistreichen Dialogen, denen man aufmerksam zuhören musste, und vor allem das Fehlen jeglicher Plattitüden und Sprüchen unter der Gürtellinie. Und wo sich der eine oder andere Zuschauer vielleicht selbst ein wenig wiedererkannt hat.