„I wanna know what love is“
Das Performancekollektiv She She Pop gehört zu den erfolgreichsten Gruppen der freien deutschsprachigen Theaterszene. She She Pop sehen in der Bühne einen Ort, an dem neue Formen der Kommunikation ausprobiert werden können.
In ihrer Produktion 50 Grades of Shame, einem Abend über das Schämen und verschiedene Etappen der Aufklärung im Laufe der Zeit, arbeiten die Mitglieder dieses Theaterkollektivs mit vier Schauspielern der Münchner Kammerspiele und einem „echten Teenager“ zusammen.
Der Abend beginnt mit der Frage aus dem Off: „Was ist verboten?“ Eine Reihe von Antworten werden aus dem Dunkel gesprochen und zeitgleich – wie der ganze Abend – englisch übertitelt. So wie „in der WG Sex haben und die Tür offen stehen lassen“ oder „ohne Kinder auf den Spielplatz gehen“. Das Licht geht an, die Akteure singen : „I wanna know what love is“. Das Publikum wird gefragt: „Ihr wollt wissen, was Liebe ist? Und wir sollen euch das zeigen?“ Wir – das ist der „kollektive Lehrkörper“ vor uns auf der Bühne, der für seine „Lektionen“ eine besondere Unterrichtsmethode verwendet, eine „Mischung aus Predigt und Darkroom, aus Rollenspiel und klassischem Frontalunterricht“. Als Unterrichtsmaterial dienen Wedekinds Frühlings Erwachen und E.L. James‘ Sadomaso-Bestseller Fifty Shades of Grey sowie einige biographische Aspekte. Eine wahrlich bunte Mischung, die die unterschiedlichen Varianten der Scham und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, der eigenen Sexualität höchst vergnüglich vorführt.
Zu Beginn jeder Lektion – mit Titeln wie „Mein Körper“, „Wahrheit und Fiktion“, „Was ist erlaubt?“ – steht rechts der „Lehrer“ an einem Pult, auf der linken Seite sieht man die „Schüler“. Dazwischen zwei große, aufrecht stehende Leinwände, die die Aufnahmen verschiedener Kameras, vor denen die anderen Schauspieler posieren, wiedergeben. Dank Video- und Computertechnik entstehen skurrile, schnell wechselnde Körperkonstruktionen aus live aufgenommenen Köpfen und verschiedenen bekleideten oder unbekleideten Ober- und Unterkörpern. Hybride aus verschiedenen Frauen- und Männerkörperteilen. Geschlechterrollen, Dominanz und Unterwerfung – alles ändert sich permanent schnell. Witzig, effektiv, oft erhellend oder gruselig, manchmal Illustration zu einem gesprochenen Text. Einstudierte Szenen aus Wedekinds Stück - so sagt ein Junge zum anderen: „Komm doch mit auf mein Zimmer und wir plaudern gemütlich über die Fortpflanzung“ – wechseln ab mit einem Diskurs über den Vertrag, den Christian Grey mit seiner Sexpartnerin Anastasia Steele, die sich ihm unterordnen soll, aushandeln will. Othello wir zitiert („Hast du zur Nacht gebetet?“). Die „Ode an das Po-Loch“ gehört ebenso zum Themenpotpourri wie „der richtige Mann“, Kleiderordnungen oder das Aufgeklärt-Werden, wenn auch manchmal nicht im üblichen Sinne.
Ein bunter Bilder- und Themenreigen über unsere Beziehung zu unserem Körper, über Fantasien und Wunschvorstellungen, über Begehren, Sexualität und Macht. Humorvoll, manchmal satirisch, facettenreich, immer wieder überraschend. Mit durchaus ruhigeren Phasen, die jedoch nach all der wirbelnden Bilderflut wenig zum Tragen kamen. Ungewöhnlich. Sehenswert.