Übrigens …

Maria Stuart im Globe Theatre Neuss

Gefangen im Goldrahmen der Macht

Elisabeth sitzt, wie ein zu Eis gefrorenes Bild, in einem goldenen Rahmen. Schräg hängt er im Raum – und lässt an einen goldenen Käfig denken. Sinnbild für die Situation einer Königin, die sich unfrei fühlt, stets der Staatsraison verpflichtet – und ihre Hände deswegen gerne in Unschuld wäscht. Gräulich-grün ist die Farbe ihres Kleides, unter dem der hohe Kothurn an antike Dramen gemahnt, künstlich hochgezwirbelt die rostroten Haare. Ein Kunstprodukt.

Kontrast dazu ist neben ihr eine in sinnliches Rot getauchte Frau mit wirren, aber frei wabernden Haaren. Sie sitzt gebeugt, scheint gebrochen und am Ende. Ein Stilleben ist auch sie. Es ist Maria Stuart (Franziska Mencz), ganz und gar kein Kunstprodukt, sondern nur wenig später brennend vor Gefühlen und Temperament. Eine frühe Carmen, die stets nur ihren eigenen Weg gehen will. Könnte sie es nur. Doch der Tudor-Spross aus Schottland ist in britischer Haft und zum Tode verurteilt.

Zwei Frauen treffen hier aufeinander, zwei Welten reiben sich dabei wund, zwei Konfessionen stehen sich konträr gegenüber. Das Grau des auf nichts als dem Wort fußenden Protestantismus der herrschenden Königin hier, das sinnlich betörende Rot des Katholizismus der eingekerkerten Maria Stuart dort. Zuallererst und vor allem aber geht es um Macht und deren unbedingten Erhalt, die alle Winkelzüge rechtfertigt.

„Shakespeare and beyond“, also etwa „Shakespeare und darüber hinaus“, ein Leitmotiv des diesjährigen „Shakespeare-Festivals“ in Neuss, bot auch Friedrich Schillers britisch-schottischer Tragödie Maria Stuart eine Chance. Eine Chance, die die „bremer shakespeare company“ überzeugend auf der Bühne des „Globe“ in Szene setzte. Mit einem gelungenen Regie-Debüt, bei dem sich Petra-Janina Schultz zweifellos Meriten verdiente. Zudem mit einem Darsteller-Quartett, in dem Michael Meyer und Markus Seuß nicht nur gute Figur machen. Michael Meyers Leicester hat, als verlogener höfischer Opportunist am Hofe der Königin Elisabeth, große Momente der Verstellung und Lüge. Markus Seuß steht ihm freilich in nichts nach, wenn er den anfänglich mehr als devoten Mortimer zu einem Macho-Liebhaber hochjubelt und als Parteigänger der katholischen Stuart Maria fast vergewaltigt. Opportunisten, Egoisten und Egozentriker sind beide.

Da sind die beiden Frauen doch gradliniger und direkter. Sie haben jederzeit Respekt voreinander und lassen, in ihrem großen Dialog, Hass und Bewunderung zugleich spüren, aber auch maßlose Machtgier. Von der unehelich geborenen Elisabeth gedemütigt, dreht Maria auf und durch, nennt die Herrscherin einen Bastard – und hat damit endgültig ihr eigenes Todesurteil unterschrieben.

Am Ende des zweieinhalbstündigen Abends stand Elisabeth, wenn auch als Siegerin, allein und verlassen auf der Bühne ihres Lebens. Das späte Auftauchen von Freund und Verehrer Leicester und Ratgeber Burleigh, beide devot wie einst, geriet danach zu einer fast melancholischen Erinnerung an bessere Tage – ehe das Licht im „Globe“ endgültig erlosch.

Ein spannender Abend, an dem die Sprache Schillers über allem anderen steht. Eingebunden in ein ebenso einfaches wie ausdrucksstarkes Bühnenbild mit farbenprächtigen Kostümen.