Volkstheater im besten Sinne, wie zu Shakespeares Zeit
Ende gut, alles gut, so der deutsche Titel diesen selten gespielten Stücks von William Shakespeare, gehört zu den „dark comedies“, die nicht eindeutig nur der leichten Unterhaltung zugeschrieben werden können. Gibt es doch hier durchaus „elements of darkness and tragedy“, die die romantischen und komödiantischen Züge ergänzen.
Helena, verwaiste Tochter eines berühmten Arztes, ist das Mündel der Gräfin von Roussillon. Sie hat sich unsterblich in deren Sohn, den jungen Grafen Bertram, verliebt. Doch der hat andere Ziele. Er folgt einer Einladung an den Hof des Königs von Frankreich in der Hoffnung, als Soldat in die Toskana geschickt zu werden. Für Helena empfindet er nichts, zudem ist sie nicht adlig – ein Manko in seinen Augen. Helena reist ebenfalls nach Paris, hat sie doch von des Königs schwerer Erkrankung erfahren. Ein Heilmittel ihres Vaters soll ihn kurieren. Als Lohn im Falle des Erfolgs soll es ihr erlaubt sein, ihren Bräutigam selbst auszusuchen. Ihre Behandlung hat Erfolg, sie wählt Bertram. Er lehnt ab, muss sich aber dem Urteil des Königs fügen. Die beiden heiraten. Bertram entflieht in den Krieg und will nicht eher zurückkehren, bis Helena einen Ring, den er selbst am Finger trägt, und ein Kind vorweisen kann, dessen Vater er ist. Helena greift zu einer List, mit der sie letztlich Bertrams Liebe gewinnt. Dies gelingt mit Hilfe Dianas, einer jungen Florentinerin, der Bertram nachstellt.
In Neuss war die erfrischend inszenierte Produktion von All’s well that ends well der Shakespeare Company at the Tobacco Factory aus Bristol der zu Recht bejubelte Schlusspunkt des diesjährigen Shakespeare Festivals. Alle Darsteller überzeugten durch Spielfreude und engagiertes Spiel. Besonders Eleanor Yates als Helena, die einerseits hilfsbereit den König für ihre Heilkunst gewinnt.„She is young, wise, fair“, so sein Urteil. Zum anderen aber verfolgt sie entschlossen ihr Ziel, Bertram zu gewinnen, koste es, was es wolle. Bertram (Craig Fuller) ist eine eher fragwürdige Figur, will er doch zunächst so gar nicht, „a poor physician’s daughter“ als Ehefrau akzeptieren. Er nennt sie sogar „detested wife“. Und stimmt am Ende doch zu: „In you I see redemption, love and hope“. Im Rahmen aber dieser überaus bunten, abwechslungsreichen Inszenierung, in der Kriegsgetümmel und humorvolle Szenen äußerst lebendig dargestellt werden, fällt er nicht weiter auf. Das Bühnenbild wird mit Hilfe weniger Requisiten geschickt variiert, farbenfrohe und fantasievolle Kostüme tragen zum Erfolg des Abends bei. Parolles, Bertrams Gefolgsmann (Paul Currier), ist ein fragwürdiger, großmäuliger Gesell‘, der gern Sprüche klopft und ungefragt Ratschläge gibt: „Get you a good husband and use him as he uses you“, sagt er zu Helena. Bertram und seine Genossen spielen ihm übel mit und erteilen ihm eine Lektion. Lavatch (Marc Geoffrey) ist der Narr am Hofe der Gräfin Roussillon, Bertrams Mutter. Ein liebenswerter, unglücklich in Helena verliebter Mann, der das höfische Ränkespiel nicht mitmacht.
Musik wird immer wieder geschickt eingesetzt. So erklingt Cembalospiel in den kurzen Umbauphasen und zum harmonischen Schluss (“All’s well that ends well“) tanzen alle miteinander.
Die fast drei Stunden lange Inszenierung lässt nie Langeweile aufkommen – Shakespeare at his best. Der deutsche Zuschauer genießt das wunderbare Englisch dieser Truppe und fühlt sich aufs Beste unterhalten. Beim Schlussapplaus wird es politisch. Es war der trübe Tag des „Brexit“. Bertram und Helena halten demonstrativ die Europa-Flagge hoch. Was das begeisterte Publikum mit Zusatzbeifall honoriert.