„Ist dies Wahnsinn, hat es doch Methode.“ Polonius
Hamlets Vater, der König von Dänemark, ist auf mysteriöse Weise verstorben. Noch sind die Blumen auf seinem Grab nicht verwelkt, da heiratet seine Witwe, Königin Gertrud, dessen Bruder Claudius, der sich zum neuen Herrscher erklärt. Hamlet steht unter Schock und sinnt auf Rache. Der Geist des toten Vaters erscheint ihm und offenbart ihm, vom eigenen Bruder ermordet worden zu sein. Hamlet beschließt, auf eigene Faust zu recherchieren, und streift, um dabei unerkannt zu bleiben, die Maske des Wahnsinns über. Die Wahrheitssuche gestaltet sich schwierig. Handelte Claudius allein oder hatte er Mittäter? Welche Rolle spielte Polonius, ein enger Vertrauter des neuen Königs? Sind Hamlets Studienfreunde Rosenkranz und Güldenstern so harmlos, wie sie scheinen?
Hamlet verstößt seine Angebetete, Ophelia, die Tochter des Polonius. In einer wahnwitzigen Theatervorstellung konfrontiert der Prinz seinen Onkel mit seiner Schuld, dieser gesteht die Tat – allerdings nicht vor Zeugen. Gertrud stellt ihren Sohn zur Rede. Polonius belauscht das Gespräch und wird von einem rasenden Hamlet irrtümlich getötet. Nun wird der Rächer zum Gejagten.
Stefan Bachmann inszenierte zum Spielzeitauftakt Hamlet in der Fassung von Heiner Müller am Schauspiel Köln. Charakteristisch für diesen Abend sind – wie schon bei Geschichten aus dem Wiener Wald (2015/2016) – die leere Drehbühne und das Fehlen jeglicher Requisiten. Ein Vorhangrundhorizont erlaubt wirkungsvolle Auftritte und elegante Abgänge. Stimmungen werden durch Lichteinsatz verstärkt. Getragene Orgelmusik (Sven Kaiser) lässt an Kirchenzeremonien denken und passt gut zu mancher Szene.
Im Zentrum der Inszenierung steht Peter Miklusz als Hamlet, ein neues Mitglied im Ensemble des Kölner Schauspiels. Er ist der ständige Dreh- und Angelpunkt des Abends. Eine zierliche Person in weißem Hemd, mit weißblondem Haar und oft flackerndem Blick, etwas an den jungen Klaus Kinski erinnernd. Jede Sekunde präsent – taktierend, beobachtend, mühelos auf der Klaviatur der Gefühle spielend. Faszinierend! Bruno Cathomas als hinterlistiger, machthungriger Claudius, der vor keinem Mord zurückschreckt, um seine Ziele zu erreichen, und Marie-Lou Sellem als Gertrud überzeugen an diesem Abend, ebenfalls Wolfgang Pregler als Polonius, Ratgeber des Königs und besorgter Vater. Lou Zöllkau hingegen ist eine blutleere Ophelia, die auch in der Wahnsinnsszene nur überzogen agiert und mehr schreit als überzeugt.
Bachmann überrascht den Zuschauer, wenn er die Unterredung zwischen Hamlet und Gertrud hinter dem Vorhang spielen und Polonius davor lauschen lässt. Unklar bleibt der Sinn der gerade zu Beginn des Abends häufig synchron gezeigten Wiegeschrittbewegungen der Personen. Und manches Mal hätte man sich ein früheres Anhalten der Drehbühne gewünscht.
Insgesamt ein durchaus packender dreistündiger Abend mit einem fast ständig im Mittelpunkt agierenden, faszinierenden Hamlet, der bei der Premiere frenetisch bejubelt wurde.