Kaum Brandstiftung
Szenenapplaus und reicher Schlussbeifall für eine komödiantisch hochtoupierte Inszenierung von Max Frischs Biedermann und die Brandstifter durch Christa Nachs am Kölner Horizont-Theater. Sicher liegt die Regisseurin mit ihrer etwas krachledernen Konzeption nicht ganz falsch, denn bereits der Name Biedermann suggeriert menschliche Skurrilität und Beschränktheit. Den Herrn Biedermann mag es so oder zumindest variiert auch sechzig Jahre nach der Zürcher Uraufführung geben. Dennoch hat das Stück Patina angesetzt, welche durch inszenatorischen Biss, vielleicht sogar Aggressivität zu überspielen wäre.
Frisch nannte sein Bühnenstück ein „Lehrstück ohne Lehre“. Um seinem Thema von der Gutgläubigkeit des Menschen archetypische Tiefenwirkung zu geben, integrierte der Autor Momente des antiken Dramas (u.a. einen kommentierenden Chor) in sein heiteres Drama und fügte später noch ein kabarettistisches Nachspiel hinzu. Das wirkt mittlerweile etwas akademisch und müsste - nochmals Forderung an die Regie – mit szenischer Schneidigkeit kompensiert werden. Ob das bei einer der letzten im Internet recherchierbaren Aufführungen (Frankfurt 2014, mit Chor) gelang, war nicht zu dingfest zu machen, eine kommende Premiere in Erlangen (22.9.) bleibt abzuwarten.
In der Horizont-Aufführung sind Antiken-Assoziationen eliminiert. Die Inszenierung ist mit Blick auf jugendliche Zuschauer konzipiert. Wegen dieses Publikums wurde der Premierenbeginn übrigens auf 19 Uhr gelegt, da der Weg vieler Zuschauer aus dem Umland über den in Verruf geratenen Kölner Bahnhofsvorplatz führt.
Möglicherweise hat diese Zielgruppe die Regisseurin etwas zäh und bieder arbeiten lassen. Ihre Arbeit sorgt immer wieder für Lachmomente, aber die wären in derart geballter Kraft eher an der Boulevardbühne Kölns, dem Theater am Dom, am Platz, wobei die dortige aktuelle Premiere (Rezension unten) zeigt, dass es auch hier anders geht.
Was treibt Gottlieb Biedermann zu seiner fast schon würdelos zu nennenden anpasserischen Höflichkeit an, die er keineswegs allen Mensch zuteil werden lässt? Ist es ein naiver Glaube an das Gute im Menschen, welcher ihn seinen ungebetenen Gästen Josef Schmitz und Wilhelm Eisenring nicht die Brandstifter sehen lässt, als welche sie sich eigentlich unverhohlen ausgeben. Denn wie heißt es bei Frisch: „Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die Wahrheit. Die glaubt niemand.“
Dass das spießige Biedermann-Ehepaar (incl. Gattin Babette) von zwei cleveren, um billige Sprüche um keinen Moment verlegenen Ganoven derart aufs Kreuz gelegt werden kann, wäre trotz grundsätzlichem Wahrheitsgehalt der Dramenessenz mit sarkastischen Regiekonturen unbedingt zu steigern. Christa Nachs hat zwar Modernismen in den Text eingeschleust (es ist beispielsweise von einem Tod in der Mikrowelle die Rede). Aber das finale Inferno einer brennenden Stadt wird entschärft. „Zum Glück ist es nicht bei uns“ lautet der Schlusssatz.
Die Darsteller – Georg B. Lenzen: Biedermann, Marcel Eid: Josef Schmitz, Stefan Merten: Wilhelm Eisenring – sind nur bedingt zu satirischer Großmäuligkeit herausgefordert, beschränken sich auf vordergründige Komödiantik , Signe Zurmühlen (Babette) bietet lediglich eine anonyme Salondame. Viel Spaß ohne Widerborsten also. Das gemütliche Sofa in Jan Pawlowskis Ausstattung könnte man sogleich als Indiz nehmen.