Über das Scheitern im Alltag
Yasmina Reza, bekannt dafür, im banalen Alltag grundsätzliche Fragen und Probleme aufzuspüren, befasst sich in ihrem Stück Drei Mal Leben mit den Beziehungen zweier Mittelstandspaare – sowohl zwischen den Ehepartnern wie auch zwischen den beiden Paaren. Trotz für den Zuschauer amüsanter, kluger Dialoge geht es hier um die Untiefen des menschlichen Miteinanders, trotz all der Redseligkeit um fehlende echte Kommunikation.
Warum Drei Mal Leben? Die Komödie erzählt von drei Varianten desselben Abends, mit immer neuen Voraussetzungen und dementsprechend einem anderen Verlauf des Geschehens. Da haben wir zunächst Henri (Stefan Schleue), einen erfolglosen Astrophysiker, und Sonja (Katharina Dalichau), eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Juristin. Zum anderen ist da Hubert Finidori (Gregor Henze), ein erfolgreicher Astrophysiker, von dem sich Henri einen Karriereschub erhofft. Und Ines ( Alina Wolff), seine unsichere, um Zuspruch werbende Frau. Sonja und Henri haben die Finidoris zu einem Essen eingeladen. Unglücklicherweise stehen diese einen Tag zu früh unerwartet vor der Tür und so muss improvisiert werden. Nicht zuletzt soll viel Alkohol das Debakel vertuschen.
Zu Beginn wird der Zuschauer Zeuge der grundsätzlich unterschiedlichen Ansichten bezüglich der Erziehung des Sohnes Arnaud, der nie zu sehen, dafür oft zu hören ist. Laut quengelt er im Kinderzimmer und Henri ist nach Sonjas Meinung zu schnell bereit, ihn mit Keksen oder einer Kinder-CD zufrieden zu stellen.
In der ersten Fassung des Abends zeigt sich Henri äußerst unterwürfig dem dominant und selbstsicher auftretenden Gast gegenüber: „Krieche ich?“ fragt Henri. Hubert herablassend: „Ein wenig. Sie sollten bei Ihrer Frau Unterricht nehmen.“ Zudem bringt Hubert Henri aus dem Konzept, indem er ihn auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung hinweist, die seine Forschungsergebnisse scheinbar schon vorweggenommen hat. Henri befürchtet den „wissenschaftlichen Tod“. Ines macht aus einer Laufmasche ein Riesenproblem und gibt das dumme Blondchen. In der zweiten Szene spielt Hubert den Verführer und baggert selbstbewusst Sonja an, sobald sie einen Augenblick allein sind. Seiner Frau scheint das nicht neu zu sein: „Bei attraktiven Frauen spielt mein Mann gern den Verführer.“ Sie setzt sich jedoch gegen seine Demütigungen zur Wehr und stellt nüchtern fest: „Unsere Ehe geht den Bach runter.“ Henri betrinkt sich und pöbelt hemmungslos herum.
In der dritten Version stehen die vier Protagonisten nebeneinander an der Bühnenrampe und monologisieren in Richtung Publikum. Ein Anruf befreit Henri von der Sorge, seine Forschung könne umsonst gewesen sein. Die Stimmung ist einerseits zwar entspannt, aber auch abgeklärt, fast depressiv. Vergessen die Streitereien. Henri („müde, aber in Form“) tanzt mit Sonja, die Gäste gehen.
Die Neusser Inszenierung vermittelt durchaus einen Eindruck davon, welche zum Teil grausamen Kämpfe um Anerkennung in mancher Hinsicht verdeckt oder offen ausgetragen werden. Welche Allianzen kurzfristig geschlossen werden und wie existentiell der Wunsch nach Selbstachtung, Liebe und Erfolg ist. Das Ensemble spielt engagiert und trotzdem bleibt man seltsam unberührt.