Puntila, der ewige Trinker
Im finnischen Exil schrieb Brecht 1940 die das Theaterstück von Herrn Puntila und seinem Knecht Matti. Puntila, ein reicher Gutsbesitzer, fühlt sich nur im Rausch ganz bei sich. Dann kommt sein anarchischer Wille zum Leben zum Ausdruck. Dann begegnet er dem Personal auf Augenhöhe. Nichts fürchtet er mehr als seine Anfälle sinnloser Nüchternheit, in denen er ein zurechnungsfähiger Mensch ist, dem man alles zutrauen muss. Dann wird er den von ihm beschimpften Menschen ähnlich, die sich mit der Welt, ihrer Trostlosigkeit und ihren Verhältnissen arrangiert haben. Im nüchternen Zustand lehrt Puntila, dann ganz der kapitalistische Ausbeuter, seinen Knecht Matti und seine Tochter Eva das Fürchten.
Jan Gehler inszenierte Brechts derbes Volksstück auf einer sehr schrägen Bühne mit nur zwei Türen und einem Fenster. Den Schauspielern wird einiges an Körperbeherrschung abverlangt, kommen sie doch häufig ins Rutschen, ins Gleiten. Das erscheint zu Beginn des Abends – 2 ¼ Stunden ohne Pause – durchaus sinnvoll. Steht doch im Stück – bedingt durch den Alkohol, den Puntila als seine „einzige Medizin“ bezeichnet – so manches auf dem Kopf. Der Effekt nutzt sich jedoch ab und der Zuschauer registriert nur nüchtern eine weitere „Rutschpartie“. Obwohl die Idee, das Bühnenbild minimalistisch zu gestalten und so die Aufmerksamkeit auf den immer noch erfrischend aktuellen Text zu lenken, etwas für sich hat. Lichtwechsel genügen vollkommen, um verschiedene Spielorte zu suggerieren.
Andreas Grothgar ist Puntila. Einerseits bestechend, wie er den Wechsel zwischen betrunkenem Zustand und nüchternen Phasen spielt, wie akrobatisch-clownesk er sich zuweilen auf der Bühne bewegt. Zum anderen redet er manchmal in Zeiten des Betrunkenseins zu exaltiert, zu „bewusst“, was irritiert. Konstantin Lindhorst überzeugt durchgehend als bodenständiger, nüchterner Angestellter des Großgrundbesitzers. Er durchschaut seinen Herrn (Matti: „Du bist fast ein Mensch, wenn besoffen.“), gibt sich immer diplomatisch und weist klugerweise das Ansinnen Puntilas, er solle dessen Tochter Eva heiraten, zurück. Weiß er doch um das Risiko, wenn man als Knecht „raufheiratet“. Lindhorst ist als Matti das ideale Gegenstück zu dem (zu) redseligen Puntila des Andreas Grothgar. Cennet Rüya Voß als Eva gewinnt im Laufe des Abends an Ausdruckskraft. Dagegen kann Alexej Lochmann nicht fesseln, insbesonders nicht als Telefonistin. Da wird man an die Filmklamotte Charleys Tante erinnert.
Das Ensemble (ferner sind, jeweils in mehreren Rollen, zu nennen: Hanna Werth und Cathleen Baumann) gibt sich betont spielfreudig. Die Wirkung bleibt weitgehend aus. Man verlässt etwas enttäuscht das Theater.