Töten im Schichtdienst
Tötung als Zwangsmaßnahme, präventive Tötung durch Drohnen zum Beispiel, um potentielle Terroristen auszuschalten – ein zu rechtfertigender Einsatz? Wohl kaum. Studien haben belegt, dass die terroristische Bedrohung vermutlich seit dem Einsatz der Drohnen zugenommen hat. Geschürt durch Rache und Hass. Der Drohnenkrieg hat eine neue Stufe in der Kriegsführung ermöglicht. Hier stehen sich nicht – wie im klassischen Krieg - gleichberechtigte Gegner gegenüber, die sich besiegen wollen. Der Krieg folgte bisher in gewisser Weise bestimmten Regeln. Der Einsatz von Kampfflugzeugen bringt eine neue Dimension ins Spiel. Die Überlegenheit durch das In-der-Luft-Sein bewirkt eine andere Haltung dem Gegner gegenüber. Diese Einschätzung verschärft die Lage. Der Angegriffene kann den Feind nicht töten. Ist doch der Angreifer nicht dort, wo die Tötung erfolgt.
Der Drohnenlenker sitzt vor seinem Bildschirm im bequemen Sessel und tötet – ähnlich wie bei einem Videospiel – per Joystick Menschen, ohne selbst je in Gefahr zu geraten. Die Drohnenpiloten arbeiten in Schichten – im Stück sagt die Pilotin: „Zum Krieg fahre ich wie zur Arbeit.“ - , nach denen sie zum Privatleben übergehen. Scheinbar relativ unbelastet von der Tötung eines Menschen.
Anselm Weber inszenierte in Bochum an einem Abend Ayad Akhtars Die unsichtbare Hand und dann Brants Einakter und Einpersonenstück Am Boden, zwei thematisch sinnvoll zu verbindende Stücke. Brants Protagonistin ist eine Pilotin der US-Luftwaffe, deren Beruf es ihr erlaubt, täglich das zu erfahren, was sie zugleich mit ihm zu verteidigen meint: die Freiheit, das große, weite Blau des Himmels. Sie genießt den Freiheitsrausch am Steuer ihres Kampfjets, den sie liebevoll „Tiger“ nennt, und empfindet es als Abstieg, als sie nach der Schwangerschaftspause zum Dienst zurückkehrt und sich zu einer anderen Waffengattung versetzt sieht. Als „Chairforce“ bezeichnet sie diese Abteilung, in der sie in Schichten per Bildschirm mit einer Drohne Gegner, tausende von Kilometern entfernt, abschießt. Kaum als Menschen zu identifizieren, nur Objekte einer automatisierten, allgegenwärtigen Macht. Sie sitzt in einem unterirdischen Container in der Wüste und löscht mit einer Bewegung des Joysticks Menschenleben aus. Aus dem Blau wurde ein Grau. Ein frustrierender Schreibtischjob, der „Alptraum jedes Piloten“. Dennoch erlebt sie auch Momente des Hochgefühls, wenn sie sagt: „The eye in the sky – das bin ich.“
Sarah Grunert ist diese Pilotin in Bochum. Glaubhaft vermittelt sie den Wechsel der Gefühle wie auch die Liebe zu Mann und Kind. Mal fühlt sie sich „gottgleich“, bewegt sich in ihrem Kampfanzug fast wie ein Mann in dieser Airforce-Männerwelt. Dann spürt man ihren Zweifel, ob sie – in einer speziellen Situation, die sie näher schildert – wirklich einen Schuldigen trifft. Scheitert sie in diesem Moment an ihrem unmenschlichen Job?
Das Bühnenbild erinnert an einen Laborkäfig. Grüne Linien teilen den Raum in Quadrate ein. Einziges Requisit ist ein Stuhl. Eine kalte, karge Szenerie, die die Aussage des Stücks unterstreicht.
„Die Drohnen? Können sie nicht schnell genug bauen. In einem Jahr ist die Drohne König.“
Ist das unsere Zukunft?