Weihnachtsfeier. Ein Betriebsunfall im Köln, Theater im Bauturm

Zwei Schauspieler in dreizehn Rollen

Im Rezensenten-Smartphone war notiert: „Bauturm Weihnachtsfeier“. War das etwa eine Einladung zu einer theaterinternen besinnlichen Party? Mitnichten. Es handelt sich um die jüngste Premiere des Theaters an der Aachener Straße zum Thema „Betriebliche Weihnachtsfeier“. Der Untertitel „Ein Betriebsunfall“ verrät es: keine glühweinschwangere Besinnlichkeit im Kerzenschein und Spekulatius, sondern harte Realität, wenn auch unter komödiantischem Satire-Deckmäntelchen.

Das neue Führungstrio des Hauses mit dem Theaterchef Laurenz Leky, dem Dramaturgen René Michaelsen und dem Geschäftsführer Bernd Schlenkrich wollten gerne etwas Eigenes machen: irgendwie mit Weihnachten. Und so reiste das Trio, wie Leky auf der launigen Premierenparty erzählte, drei Wochen geschlossen in ein externes „Trainingslager“ am Bodensee, um ihre Ideen zu Papier und auf die Bretter des Bauturms zu bringen. Alle drei sind studierte Theaterleute, Schlenkrich dazu noch ausgebildeter Regisseur; so war die Rollenverteilung klar: zwei auf der Bühne, einer sagt wo's lang geht. Das war sicherlich eine sehr lustige Zeit, wo man gerne mal Mäuschen gespielt hätte.

Aufs Korn genommen wurde eine Firma „Sedoga Zement und Kommunikation“. Diese Kombination und der Untertitel „Denn Zeit ist Geld“ lassen schon mal nichts Gutes erahnen. So war es denn auch; von den 120 per E-Mail angeschriebenen Mitarbeitern für die bevorstehende Weihnachtsfeier hätten nur 21 geantwortet, fast alle bringen Nudelsalat mit Majo mit, wie ein Mitarbeiter der Verwaltung (Leky kurzsichtig und mit der Hose fast unter den Achseln) schimpft: „Wir haben 150 Liter Glühwein, aber leider kalt.“ Der Chef selbst (Michelsen im schwarzen Anzug und mit verlegenem Dauergrinsen) schwadroniert salbungsvoll von der Freude am Arbeitsplatz und von der Akkreditierung als Ausbildungsfirma, verkündete aber, dass man die Abteilung „Gasbeton und Telefonie“ schließen werde und sich von Herrn Ohlsen aus der Abteilung „Rechnungsprüfung“ habe trennen müssen. Und Dr. Kamprad schwadroniert ohne Pause über die Speisenfolge der letztjährigen Weihnachtsfeier und lässt sich auch durch noch so wilde Luftsprünge seines Kollegen nicht unterbrechen. Der schwäbische Mitarbeiter versucht körperliche Nähe zu den Kollegen zu finden, möchte sich auf deren Schoß setzen und am Pullover reiben in Voraussicht eines wohligen Gefühls.

Das Timing auf der Bühne und in den Dialogen klappt hervorragend; man hat einen schlichten Raum vor sich mit einer zweigeteilten rückwärtigen weißen Wand, einen Tisch mit einigen Stühlen und einem kleinen geschmückten Weihnachtsbaum mit Nikolausmütze. Hervorragend klappt auch der rasche Wechsel der Kleidung hinter der Wand und der nahtlose Übergang auf diverse Dialekte: so rasch schlüpften die Akteure in die nächste Rolle und in die nächste Person.

„Ergreifend“ der Hausmeister Eschweiler im verdreckten Kittel, der wie jedes Jahr versucht, die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor Rührung laut heulend vorzulesen, wohingegen „Schnappi“ aus der EDV in sattem Kölsch eine Frau für Weihnachten sucht „mit Pizza bestellen und DVD gucken. Nähe muss nicht sein, aber bei Bedarf kann ich reagieren“.

Frau Schwertfeger und Frau Reichert wetteifern mit Klatsch und Tratsch über ihren lüsternen Chef, der sich an alle Weiber ran macht. Die langjährige ältere Angestellte: „Dich liebt er nur drei Wochen, mich aber hasst er seit 30 Jahren“. Rührend auch der schüchterne Literat mit einem selbst geschriebenen Weihnachtsgedicht und zwei Bayern mit Bierkrug, die nach 33 Jahren im selben Büro endlich ihre Liebe zueinander entdeckt haben. Der Weihnachtsengel ganz in weiß kam zu spät wegen des Staus auf der A 47 und verkündete eine frohe Botschaft: „kein Stau mehr!“ Natürlich fehlte auch der türkische Mitarbeiter mit Schnäuzer nicht; er teilte lapidar alles und jedes auf in „Scheise“ und „Heilisch“.

Die Charaktere auf der Bühne treffen vorzüglich die typischen Teilnehmer solcher Weihnachtsfeiern, auf denen man eigentlich Frieden schließen und vergangene Konflikte begraben soll. Hier klappt es überhaupt nicht: der Chef eröffnet, dass er die Firma zum Jahresende schließen wird und keiner mehr zur Arbeit kommen muss. Aber da hat er nicht mit Herrn Ohlsen gerechnet, der in feinstem Sächsisch und mit perfektem artistischem Tanz zeigt, wie eine richtige Weihnachtsfeier aussieht. Und die gute Nachricht: die Firma gehört jetzt allen Mitarbeitern, der Chef geht zufrieden zurück in die Rechnungsabteilung.

Trotz kritischer Untertöne ist die Weihnachtsfeier ein herrliches Stück, wo die beiden Theatermacher ihre komödiantische Ader und auch ihre Dialektsicherheit ausspielen können. Großer und langer, verdienter Applaus. Der Besuch wird dringend empfohlen, so es noch Karten gibt.