Verrückt und vergeblich: Auf der Suche nach dem eigenen Ich
Mit ihrem Stück Wir schweben wieder war Charlotte Roos 2012 beim Heidelberger Stückemarkt vertreten, gewann im Schweizerischen St. Gallen mit Hühner. Habichte sowohl den Jury- wie Publikumspreis, und begeisterte jetzt mit der Uraufführung ihres neuesten Stücks Jemand wie ich im Depot des Kölner Schauspiels. Was auch deswegen bemerkenswert ist, weil die acht Darsteller Akteure der „ersten Stunde“ sind.
Mit dem „Mann am Klavier“ ist die vor Spielfreude übersprudelnde Truppe bester Nachwuchs: Es sind Studierende der Leipziger „Felix Mendelssohn-Bartholdy-Hochschule für Musik und Theater“. Nun ist das weder Zufall noch eine nur gut gemeinte Einzel-Aktion des Kölner Schauspiels. Das Oktett ist vielmehr während seiner letzten beiden Studienjahre fester Bestandteil des Schauspiels am Rhein. Im Kölner Hamlet hat sich die Truppe bereits erste Sporen verdient. In den kommenden Monaten kann sie in ganz „normalen“ Inszenierungen ihr Können bestätigen.
In Jemand wie ich der einundvierzigjährigen in Düsseldorf geborenen und in Köln lebenden Charlotte Roos zeigt die Truppe beides: Können und Ungestüm, gepaart mit mitreißendem Engagement. Kurz und knapp: Es ist sinnlich-freches Theater. Und das, obgleich Bruno Cathomas, selbst Schauspieler und Regisseur der Uraufführung, Unmittelbarkeit und Direktheit in strenge Bilder zwingt. Doch das Verkünstelte bricht schnell zusammen und begünstigt die Frage nach dem eigenen Ich.
Zu Beginn des Abends zeugen Farben und Kostüme, Schminke und austauschbare Perücken von einer Klischeewelt hollywoodscher Prägung. In ihr das eigene Ich zu finden, fällt den Akteuren naturgemäß schwer, zumal sie in miteinander verschlungenen Szenen auch in archetypische Rollen von US-Film-Stars schlüpfen. Marylin Monroe wird szenisch zitiert, Bette Davis ins Spiel gebracht, Gregory Peck und Western-Helden nachgeeifert. Da gibt es zudem die „Blonde“ á la Hitchcock, die „Femme Fatal“ zieht ihre Schau ab, und die „Reine“ schlüpft in ihre Klischees. Vom eigenen Ich ist weithin nichts zu sehen. Bei den Männern das gleiche Bild: Der Detektiv spielt sein Spiel, der Cowboy reizt seinen Revolver-Zauber aus und der Autor hat große Mühe, alles unter einen Hut zu bringen.
Doch weil alle Spiel-Figuren des Regisseurs wie Schachfiguren unter seinen Anweisungen zu agieren haben, bleibt denen letztlich die Frage, wer sie eigentlich wirklich sind – neben und hinter den Rollen. Dabei kann man schon mal den Überblick verlieren. Das passiert letztlich auch dem Publikum bei der Ich-Suche Roos’scher Prägung in der Regie des Bruno Cathomas.
So wird in Köln das Stück zwar zu Ende gebracht, aber eine Lösung gibt es nicht.
Schließlich liegt der Autor erschossen auf der Walstatt, tanzt die Femme Fatale enthemmt über leblose Akteure hinweg, bis sie selbst zusammenbricht. Nur der „Mann am Klavier“ verlässt, fast vergnügt pfeifend, die Halle. Für Schauspieler, so lässt sich die Botschaft deuten, gibt es halt kein Entrinnen aus der Zwangsjacke dessen, der stets alles auf die Bühne des Lebens bringen muss, auch wenn sein Selbst dabei verloren zu gehen droht.
Kompliment für das vor Spiellust und Frische auftrumpfende Leipziger Oktett am Rhein.