Übrigens …

Loss m´r laache im Köln, Hänneschen Theater

Persiflage auf eine Karnevalssitzung

Die Eintrittskarten sind begehrt und rar fast wie die der Elbphilharmonie, nächtliche Schlangen vor der Kasse zeugen von größter Beliebtheit in Köln, alle Aufführungen sind lange vor der Premiere bereits ausverkauft. Die Rede ist von der berühmten Puppensitzung im Kölner Hänneschen-Theater. Diese Traditionsbühne, offiziell die „Puppenspiele der Stadt Köln“, gibt es seit 1802, begonnen vom Bonner Schneider Johan Christoph Winters diente ursprünglich als Krippenspielort für Kinder. Das Theater war von Anfang an erfolgreich, war seit 1823 auch Teil des Kölner Rosenmontagszugs, wurde allerdings 1919 mit dem Tode des letzten Mitglieds der Puppenspielerfamilie geschlossen. Der damalige Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer sorgte dafür, dass die Puppenspiele 1926 unter städtischer Trägerschaft wieder in Betrieb gingen. Nach mehreren Zwischenstationen befindet sich das Hänneschen-Theater am Eisenmarkt in der Kölner Altstadt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass unter den Nazis auch Spiele mit rassistisch-antisemitischem Inhalt aufgeführt wurden.

Neben den populären Figuren Hänneschen, seiner Freundin Bärbelchen (die in den Kinderaufführungen zu seiner Schwester mutiert), Tünnes und Schäl, dem stotternden und spuckenden Speimanes oder dem Polizisten Schnäuzerkowski und einer großen Zahl weiterer „Künstler“ spielen auch VIPs, bekannte Musiker oder sogar Tiere mit. Das Besondere: es handelt sich um fest montierte Stockpuppen mit beweglichen Gliedern; nur der rechte Arm kann von Spieler mit einem zweiten Stock individuell bewegt werden. Es ist erstaunlich, wie viel Vitalität und Lebendigkeit diese an sich einfache Konstruktion ausstrahlen kann. Was aber auch daran liegt, dass die Hauptpuppen immer vom den selben Spielern, die fest angestellt sind, geführt werden, die auch alle Texte selbst sprechen. Leicht ist das nicht, die Puppen wiegen bis vier Kilogramm, die Puppenspieler arbeiten im Stehen und von den Zuschauern unbemerkt „hinger d´r Britz“, einer Balustrade, die für den Schlussapplaus versenkt werden kann. Dazu kommt die fünfköpfige Hänneschen-Band unter der Leitung von Jura Wajda, die ebenfalls live dabei ist. Das muss schon alles sorgsam einstudiert werden, damit man sich nicht gegenseitig ständig auf die Füße tritt.

Unter den Premierengästen der diesjährigen Puppensitzung entdeckte man neben viel lokaler Prominenz wie die Kulturdezernentin der Stadt und die Opernintendantin Dr. Birgit Meyer auch den WDR-Intendanten Tom Buhrow. Der wurde von der Bühne heftig gescholten, hatte er doch die Fernsehübertragung der Puppensitzung im WDR abgesetzt, was ein kräftiges Loch in den ohnehin schmalen Bühnenetat reißt. „Ich war schon als Kind im Hänneschen, das ist grandios, aber Zuschauer im TV gibt es einfach zu wenig, genau wie beim Millowitsch-Theater“. Wer die Sitzung sehen möchte: Am 21.2. um 17:30 per Public von Viewing von RTL-West vor dem Theater und ab 19:00 als Streaming auf der RTL-Seite.

Und das kann nur dringend angeraten werden. Die Intendantin Frauke Kemmerling hat mit Loss m´r laache eine liebevolle Persiflage auf eine Karnevalssitzung gestaltet, in der auch aktuelle Größen der Stadt mitspielen. Und wo bissige Seitenhiebe auf die Politik verteilt werden; ob auf Trump und dessen Frisur, die „ussüht wie en plattgefahrene Katz“, auf den Schlankheitswahn von Anemie als skurriles Skelett: „alles wat do ess jitt Schwabbel“. Auch die AfD bekam ihr Fett weg: „Wähle jonn ess wie Zäng putze. Wer et nitt deht, kritt brunge Zäng“. Für jeden Vortragenden gibt es traditionell eine „Blootwoosch“, die der Speimanes dem Redner hinter der Bühne wieder abnehmen muss, da nur ein Exemplar vorhanden ist. Ort des Geschehens ist die Kneipe von Mählwurms Pitter in Knollendorf, ein fiktiver ländlicher Ort bei Köln Richtung Vorgebirge, der Heimat der ganzen Truppe. Zum 175sten Jubiläum des Kölner Männergesangsverein tanzt das lokale Männerballett im Tütü den Schwanensee, und der türkische Köbes Aslan versucht zwei schweren Jungs, die sich prügeln wollen, die historische Schlacht von Worringen zu erklären: „Voll krass, die Schlagerei“. Und das Glasverbot gilt in Köln wie in Schottland: „Glas gow“ wird diskutiert , ebenso die Burka als Schuluniform: „Keine Zwänge, kein Mobbing“, und auch die Altersarmut, wo man „Angst haben muss, vom eigenen Haltbarkeitsdatum überholt zu werden“, um dann in der „Senioren-Klappe“ zu landen.

Das „Hänneschen“ ist eine feste Institution im Kölner Kulturleben, es gibt einen riesigen Förderverein, man versucht mit der Oper, dem Schauspiel, dem Stadt- und dem Römisch-Germanischen Museum zusammenzuarbeiten, um eine weitere Kulturmarke in Köln zu etablieren. Aber im Herzen der Kölner gibt es diese natürlich längst, ebenso wie die „Akademie för de kölsche Sproch“, um diese lebendig zu halten, vor allem für die Jugend.

Die drei Stunden plus Pause vergingen wie im Fluge, es gab viel Gelegenheit zum Lachen, Schunkeln und Mitsingen, eine Puppenband im karierten Outfit und dem Sound von Brings brachte den Saal noch einmal zu Kochen. Heißer Tipp: Mitglied im Förderverein werden, dann bekommt man alle zwei Jahre eine Karte für die Puppensitzung.