Skizze eines alternden Schriftstellers, der noch nicht mit dem Leben abgeschlossen hat
Hermann Hesses Steppenwolf, 1927 veröffentlicht, beschreibt die Situation eines alternden Schriftstellers, der noch nicht alt genug ist, um ohne Wunsch zu sein. Eingefangen in dem Bild des alten Steppenwolfes, der immer noch davon träumt, Hasen zu jagen und junge Rehe zu reißen. Harry Haller, der Protagonist, lebt im Zürich der 1920er Jahre. Zu seiner ganz individuellen Lebenskrise kommt ein fundamentales Zweifeln an den gegebenen Lebensumständen, die von Orientierungslosigkeit und Krieg geprägt sind. Haller verabscheut einerseits die bürgerliche Welt, kann sich aber doch nicht ganz von ihr lösen. Er hasst jegliches Mittelmaß, so auch alle trivialen Vergnügungen, und sehnt sich nach intensiven Gefühlen, wie er sie z.B. beim Studium der klassischen Literatur empfindet. Als er eines Nachts durch die Stadt geht, entdeckt er das „Magische Theater – Eintritt nicht für jedermann, nur für Verrückte“. Natürlich zieht dies Haller an. Er lernt dort unbekannte Fantasiewelten kennen, bekommt aber auch Rückblicke auf sein eigenes Leben zu sehen. Und erfährt, dass Humor ihm helfen könnte, zwischen den ihn bedrückenden Widersprüchen einen gangbaren Mittelweg zu finden. Harry ist daraufhin bereit, sich dem Spiel des Lebens noch einmal zu stellen.
Paul Koek inszenierte u.a. Horvaths Kasimir und Karoline am Bochumer Haus (in Zusammenarbeit mit Johan Simons). Diese Produktion wurde 2010 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Jetzt setzte er Hesses Steppenwolf auf der kleinen Bühne in den Kammerspielen um, wobei der Schwerpunkt des Abends auf dem „Magischen Theater“ (dem „hübschen Bilderkabinett“) liegt, in dem Haller seine Seelenprobleme aus einer neuen Sicht erfährt. Der Musiker und Videokünstler Jeroen Hofs, bekannt als Eboman, macht den Abend zu einem verwirrend-spannenden Trip, der den Zuschauer in eine Lage versetzt, als habe er psychodelische Drogen genommen. Roland Riebeling überzeugt als zerrissener Harry Haller. Therese Dörr spielt Hermine, eine Gelegenheitsprostituierte, die Haller animiert und kommandiert, soll er doch erst einmal das Leben kennenlernen, ehe er es in einer depressiven Phase voreilig wegwirft. Es ist ein im positiven Sinne „schräger“, weil ungewöhnlicher Abend, der schon eigenartig beginnt. Das Publikum wird erfolgreich motiviert, als gemischter Chor zu agieren und mit verschiedenen Tönen und Klackgeräuschen eine Art Ouvertüre anzustimmen.
Koek kann sich auf ein exzellentes Ensemble verlassen. Neben Dörr und Riebeling sind Marco Massafra (Pablo), Bettina Engelhardt (Frau des Professors, Mozart), Michael Kamp (Professor, Mozart) und Raphaela Möst (Maria, Mozart) zu nennen.
Es gibt magische Momente, deren Zauber man sich nicht entziehen kann und verlässt verwirrt und auch berückt das Theater.