Macbeth aus Hongkong mordet am Rhein
Es ist ein Shakespeare der ungewöhnlichen Art. Macbeth auf Kantonesisch, eingefärbt und geformt durch asiatische Theatertraditionen. Doch nicht nur das Fremde faszinierte. Die Inszenierung voller stilisierter Bilder und Szenen, die an Tanzchoreographien erinnern, in denen keine Körperbewegung zufällig ist: All das, dabei ebenso streng wie spielerisch in Szene gesetzt, machte den Abend im „Globe“ auf der Neusser Galopprennbahn einzigartig und war zweifellos ein Höhepunkt des 27. und einzigen deutschen Shakespeare-Festivals.
Zu verdanken ist das Ereignis dem gleichnamigen Gründer (1994) und Leiter des Tang Shu-Wing-Theatre aus Hongkong und seiner grandiosen 14-köpfigen Truppe. Ihr kantonesischer Macbeth ist übrigens eine Auftragsarbeit des Hongkong Arts Festival und des Shakespeare's Globe London.
Es ist ein Traum, aus dem Macbeth uns seine Lady in dieser Inszenierung erwachen und ihn zur blutigen Lebenswirklichkeit werden lassen. Schwerter und Dolche sind die Waffen der Akteure, die ihnen begegnen und die sie selbst benutzen wie zu rituellen Handlungen. Haltung, Ausdruck des ganzen Körpers gerinnen immer wieder zu faszinierenden Tableaus. Es ist ein Theater der strengen Formen, aus denen emotional auszubrechen wie ein Fremdkörper wirkt. Wenn etwa König Duncan mit seinem fantastisch ausstaffierten Hofstaat ins Bild drängt, wird man an die wie aus einem Bilderbuch entsprungene chinesische Malerei erinnert - und dieser chinesische Shakespeare-Abend wächst zu einer grandiosen und farbenfrohen Verbindung des Ostens mit dem Westen. Und wenn Duncan, als Geist schneeweiß von den Füßen bis zu den schlohweißen Haaren, nur von schmalen roten Bändern durchbrochen, wortlos die Szene betritt, sogar der traditionelle chinesische Papierschirm nur noch skelettiert über ihm schwebt, ist das von ebenso malerischer wie großer theatralischer Schönheit.
Das Neusser Festival hat in seinen 27 Jahren immer wieder überrascht. Die Truppe aus Hongkong war eine dieser Überraschungen. Zugleich ist dabei die Erkenntnis immer wieder faszinierend, welch' weltweite Bedeutung der große Europäer Shakespeare für die Theaterkultur der Welt hat.