Übrigens …

Gefährliche Liebschaften im Orangerie Theater im Volksgarten

Intrigen, Amouren, Missgunst

Amouröse Abenteuer kreuz und quer in den höchsten Pariser Gesellschaftskreisen, geplante Entjungerung einer fünfzehnjährigen Klosterschülerin kurz vor deren Hochzeit, ein tödliches Duell, jede Menge Lügen und Intrigen: das entfachte schon einen gepfefferter Skandal, als 1782 der Franzose Cloderlos de Laclos seinen Roman Gefährliche Liebschaften veröffentlichte, eine Zeitreise ins feudale Frankreich vor der Revolution und ein Hauptwerk der französischen Literatur. Die verwitwete Marquise de Merteuil (kühl und berechnend: Karin Wolter) arrangiert ein riskantes Spiel mit der Liebe; aus Lust an Zerstörung knüpft sie gefährliche erotische Kontakte, welche die Menschen, die sie verkuppelt, zu Grunde richten. Mit ihrem Ex-Lover, dem durchtriebenen wie unwiderstehlichen Vicomte de Valmont (Richard Hucke) schließt sie eine Wette; schafft er es, der tugendhaft verheirateten, streng religiösen Madame de Tourvel (Eva Wiedemann) „die Ehre zu nehmen“, winkt ihm eine Liebesnacht mit ihr. Der aber macht sich einen Sport daraus, lieber die Klosterschülerin Cecile de Volanges (Leonie Houber) zu erobern, vernascht parallel aber auch gleich die Trouvel.Nicht ganz einfach, all die Amouren – es kommt noch eine weitere dazu – auf der kleinen Bühne des Orangerie-Theaters zu platzieren. Das Haus hatte „Sommertheater“ versprochen und eine extra Bühne gebaut, die leicht in den charmanten Innenhof der Orangerie verfrachtet werden konnte. Die besuchte dritte Aufführung glänzte mit bestem Wetter, herrlich saß man inmitten der Patina der gläsernen Gewächshäuser und der Fassade des historischen Theatergebäudes, leichter Wind ließ die Blätter im direkt anliegende Volksgarten rauschen, gelegentlich zeterten ein paar Vögel – eine fast unwirkliche Stimmung, um sich an die Nase zu fassen. Stefan Krause (Regie) und Hanno Dinger (Buch) haben die drei Stunden des Original-Schauspiels um die Hälfte gekürzt; auch damit, dass sie der Gastgeberin Madame de Rosemonde (Ursula Wüsthoff) zusätzlich eine Erzählerrolle auf den Leib geschrieben haben; wunderbar süffisant stellt sie die Akteure vor, erklärt die komplizierten Zusammenhänge zwischen den Personen und beobachtet ständig all die Verstrickungen. Denn einfach ist der Plot mitnichten.Weil es auch noch den adeligen Ritter von Danceny (Raoul Migliosi) gibt, der köstlich naive und unbeholfene Musiklehrer von Cecile, der anstatt zu sprechen sich lieber mit seiner Klarinette und Zitaten aus der klassischen Musik ausdrückt und sich in die Klosterschülerin verliebte - aber erst, nachdem sie die Initiative ergriffen hatte. Auch das Damentrio braucht Platz, um seine Ränke zu schmieden und ausgiebig zu lästern. So hat der Regisseur rechts und links variable weiße Vorhänge einziehen lassen, hinter denen geliebt und reichlich gestöhnt werden kann. Natürlich spielt man auch unmittelbar vor dem Publikum auf dem Rasen, Vicomte versucht gar sich mit einer schicken junge Zuschauerin nach der Vorstellung zu verabreden und stirbt im Duell ebenfalls auf der grünen Wiese des „Chateau d´Orange“.Auch sprachlich ist die Version von Hanno Dinger überaus reizvoll und vielschichtig; so etwa weist Frau von Trouvel die junge Braut darauf hin, dass im Ehehafen in der Dunkelheit auch „weitere Boote anlegen könnten“ und schildert anschaulich die „Einöde des nahen Volksgartens“. Und erklärte sie ihr orgastisches Stöhnen im Schlaf ihrer Mutter als Traum vom letzten Gottesdienst. Zahlreiche Feinheiten gibt es, an denen man seinen uneingeschränkten Spaß haben konnte. Für das finale Duell kommt Dancery gar mit einem Golfbag, erschießt seinen Gegner aber dann doch ganz konventionell.Das Stück war zu seiner Entstehung eine vielschichtige bitterböse Darstellung der menschlichen Intrigen, der Liebe, der Verachtung und der Missgunst. Es ist eine komische wie erschütternde psychologische Studie menschlicher Abgründe, fast schwarzes Theater, obwohl Bühne und Kostüme ganz in schickem Weiß gehalten sind. Die Leichtigkeit der Inszenierung drückt sich auch durch die präzise Choreografie aus: im Zutritt auf die Bühne von beiden Seiten und aus dem halbdurchsichtigen Gewächshaus, überall passiert etwas. Gutes Theater zu direkten Anfassen, mit sehr langem Applaus und ausgiebigen Gesprächen mit den Akteuren im Anschluss, denen pauschal eine rollentypische und überaus hohe Spielfreude attestiert werden muss.In der Orangerie waren alle fünf Aufführungen ausverkauft. Wer sie noch einmal erleben möchte: Die Inszenierung ist im „Tunnel in Erpel“ südlich von Bonn am 29. und 30. Juli zu erleben. (Weblink: hier)