Übrigens …

Frau Schmitz im Köln, Schauspiel

Was ist Original, was ist Kopie?

Frau Schmitz, eine Frau mittleren Alters, glücklich verheiratet, eine Tochter, arbeitet in mittlerer Position in einem global agierendem Unternehmen. Immer freundlich, zuverlässig und zuverlässig. Eine eher ruhige, schweigsame Person, über die die anderen umso mehr reden. Frau Schmitz kleidet sich wie eine Frau, ist aber in Wirklichkeit ein Mann, der sich privat für das klassische Familienmodell entschieden hat.

Als ein Projekt der Firma in Karachi Probleme aufwirft, sucht man einen kompetenten Mitarbeiter, der mit dem pakistanischen Partner clever verhandeln kann. Und erinnert sich an die fähige Frau Schmitz. Die Personalerin Mara weiß um die wahre Identität von Frau Schmitz und ihren Geschlechterwechsel. Sie schlägt sie dem Chef vor. Unter der Bedingung, dass sie im Ausland als Mann auftritt. Frau Schmitz stimmt zu und reist in Männerkleidern nach Pakistan und schließt die Verhandlungen dort mit Erfolg ab. Ihr Boss ist begeistert von seiner so wandlungsfähigen Mitarbeiterin. Die Kollegen jedoch fordern eine eindeutige Festlegung auf ein Geschlecht. Aggressionen und wachsende Intoleranz machen sich breit, als sie nach ihrer Rückkehr wieder als Frau gekleidet in die Firma kommt.

Lukas Bärfuss gelingt es, in seinem Stück zwei Themen zu verbinden. Die Arbeitsbedingungen eines globalisierten Marktes, der eine ständige Flexibilität aller fordert, und der gesellschaftliche Umgang mit der Geschlechteridentität. Frau Schmitz wechselt ihre Identität erstmals wegen der Karriere im Beruf, obwohl sie ihr Verhalten nie kommentiert. Warum soll sie anders handeln als die Konkurrenten in der Firma? Sie ist nicht konform. Ihre Transidentität wird zunächst als etwas Positives gesehen. Dann aber kippt die Stimmung, die Kollegen erkennen keine eindeutige Identität. Bärfuss: „Für sie ist es nicht möglich, Frau Schmitz eine Identität zuzuschreiben, und das wiederum gefährdet ihre eigene“.

Rafael Sanchez inszenierte das Stück in der Außenspielstätte am Offenbachplatz. Die Bühne wird durch einen sehr großen Ringbuchordner beherrscht, der mit einem Umblättern einen anderen Ort - so diverse Büros oder das Zuhause von Frau Schmitz - suggeriert. Yuri Englert verkörpert diese Transgenderfrau famos. Zunächst steht er, die anderen um mindestens einen Kopf überragend, einfach gelassen da. In einem schlichten grünen Kleid, eng anliegend geschnitten, aber nicht aufreizend. Mit recht flachen Schuhen und klassischer Kurzhaarfrisur. Um ihn herum das Karussell der zum Teil skurrilen Kollegen. Robert Dölle gibt den selbstbewussten Businesstyp, der zu wissen meint, wie man die Firma erfolgreich managt und dabei manche Plattitüden absondert. Guido Lambrecht fühlt sich als für das Pakistanprojekt Verantwortlicher durch den Erfolg von Frau Schmitz düpiert und zusätzlich auch in seiner Männlichkeit verletzt. Johannes Benecke verfolgt - erfolglos - Frau Schmitz als hartnäckiger Verehrer: „Ich sehne mich nach Reife, nach Patina.“ Und reagiert später äußerst aggressiv. Verschiedene Male konsultiert man die Schönheitschirurgin Dr. Gerber, gespielt von Sabine Orleans im froschgrünen Outfit. Nicola Gründel ist die liebende, aufrichtige und treue Ehefrau.

Es ist ein schillernder Abend mit viel Sprachwitz, der zwischen Groteske, Drama und Komödie schwankt, höchst amüsant und überhaupt nicht oberflächlich. Bestechend auch durch das exzellente Ensemble. Hier sind noch zu nennen: Lou Zöllkau, Robin Meisner und Ines Marie Westernströer.

Beeindruckend und klug gewählt ein Bild gegen Ende: Alle stehen vor einer Wand im Dunklen, hier hinterlassen sie Wärmeabdrücke ihrer Körperkonturen. Dann gehen sie einen Schritt weg, die Konturen verschwimmen - was ist Original, was ist Kopie?

Unbedingt ansehen!