Übrigens …

Fabian oder Der Gang vor die Hunde im Schauspielhaus Düsseldorf

Beim Feiern vor die Hunde gehen

Anderthalb Jahre nach seiner Uraufführung im Theater für Niedersachsen in Hildesheim feierte die Bühnenadaption von Erich Kästners Roman Fabian oder der Gang vor die Hunde nun im Schauspielhaus Düsseldorf ihre Premiere. Hausregisseurin Bernadette Sonnenbichler transferiert den Stoff, der vor dem Hintergrund des herannahenden Nationalsozialismus und der großen Wirtschafts- und Gesellschaftskrise spielt, mit einem grandiosen Ensemble ins Hier und Jetzt.

Zeigt das Stück, das auf dem Roman aus dem Jahr 1931 fußt, doch ganz heutig, wie Menschen grölend, tanzend und sich selbst vergessend im enthemmten Berlin beim Feiern vor die Hunde gehen. Erzählt wird die Geschichte des Jakob Fabian, eines jungen, promovierten Germanisten und bald arbeitslosen Werbetexters, der mit seinem wohlhabenden Freund und politischen Aktivisten Labude die Welt der Bordelle, Künstlerateliers und illegalen Kneipen in Berlin durchtanzt und erkundet.

Messerscharf satirisch, wie Kästner das Großstadtleben im damaligen Berlin der beginnenden 1930er Jahre schilderte, kommt auch die Bühnenfassung in Düsseldorf daher. Fabian steppt und swingt sich durchs verruchte Berlin, lässt sich treiben, beobachtet und erlebt, wie Künstlerinnen und Künstler, aber auch normale Arbeitnehmer und Wohnungsvermieter exzessiv die vermeintliche - auch sexuelle Freizügigkeit - leben und daran zerbrechen. Kunst verkauft sich nicht mehr, dann muss sich eben die Künstlerin verkaufen, prostituieren, um halbwegs durchs Leben zu kommen.

Es tut mitunter beim Zusehen des Geschehens auf der langen Guckkastenbühne des Theaters weh, was dort vor sich geht. Nicht erst dann, wenn sich der Nazi-Anhänger und der Kommunist gegenseitig Wunden schießen und noch auf dem Boden liegend, blutend übereinander herfallen. Vor allem die Frauen sind es, die sich erniedrigen, um nicht ganz unterzugehen. Und Fabian (grandios gespielt von André Kaczmarczyk) ist unfähig und unwillig, dem etwas entgegen zu setzen.

Er torkelt - wie die gesamte Gesellschaft - von einem Exzess und Amüsement zum nächsten. Erst als er sich in Cornelia (etwas blass: Judith Bohle) verliebt, scheint es ihm plötzlich möglich zu sein, Halt in diesem sinnlosen Treiben zu finden. Doch als er kurz darauf seinen Job verliert, in der Schlange der übrigen Arbeitslosen um Almosen ansteht und dann auch noch die Liebste verliert, die ihre Karriere auf einer „Besetzungscouch“ startet, packt ihn die echte Verzweiflung. Immer wieder auf seine Promotion pochend und seinen fehlenden Ehrgeiz bereuend, gibt er sich mit sexsüchtigen Frauen ab, für einen Platz zum Schlafen und fürs Essen.

Als dann auch noch der Freund Labude, der immer dafür eintrat, die Verhältnisse ändern zu wollen, sich das Leben nimmt, ist es mit Fabian vollends vorbei. Noch einmal zieht es ihn zurück in die Heimat. Die Mutter, der alte Lehrer und ehemalige Jugendfreunde erreichen ihn nicht mehr. Einen möglichen Job in einem rechten Blatt lehnt er ab.

Verzweifelt erkennt er, dass es auch nicht zuletzt seine eigene Schuld ist, nichts aus seinem Leben gemacht zu haben. „Vielleicht wäre es doch gut gewesen, ein paar Körnchen Ehrgeiz einzupflanzen“, bekennt er kurz vor dem etwas zu krawalligen und pompösen Ende mit Donnerwetter, Live-Schlagzeug und ohrenbetäubender Musik: Obwohl er nicht schwimmen kann, wirft er sich in einen Fluss, um einen Jungen zu retten, der es selbst schafft, wieder an Land zukommen. Fabian ertrinkt.

Das Publikum am Premierenabend sparte nach knapp drei Stunden Aufführung nicht mit langem, lautem und verdientem Applaus für eine vor allem in der ersten Hälfte überzeugende Inszenierung, ein wunderbares Bühnenbild mit sich öffnenden Ausblicken in Bars, Busse und Büros und ein begeistert spielendes Ensemble, bei dem neben Kaczmarczyk vor allem Cathleen Baumann als sexbesessene Irene Moll und Thiemo Schwarz in der Rolle des widerlich-fettleibigen Werbedirektors Breitkopf überzeugen.

Erst 2013 wurde übrigens die Urfassung von Kästners Roman veröffentlicht, ohne die Kürzungen und Entschärfungen, die in den 1930er Jahren vom Verlag gefordert wurden.