Übrigens …

Bilqiss im Köln, Theater Der Keller

Muslimischer Religionssumpf

Am Theater der Keller hat man es derzeit mit Romanadaptionen. Die erste saisonale Produktion war eine Bühnenfassung von Michel Houellebecqs Unterwerfung. Nun folgte eine Uraufführung in Zusammenarbeit mit dem Theater Blackbox. Ulrike Janssen hat den Roman Bilqiss von Saphia Azzeddine nicht nur dramatisiert, sondern auch inszeniert. Die Autorin, Jahrgang 1979, wurde in Marokko geboren, kam mit ihrer Familie im Alter von neun Jahren nach Frankreich, studierte und wurde Schriftstellerin. Bereits ihr erster Roman Zorngebete fand den Weg auf die Bühne, Der zweite Mein Vater ist Putzfrau wurde verfilmt, wobei die Autorin selber Regie führte.

Als nunmehrige „Westlerin“ hat sich Saphia Azzeddine in die hiesige Zivilisation eingelebt. Mit Bilqiss entwirft sie eine Frauenfigur, welche keinen vergleichbaren Weg gegangen ist, jedoch mit ausländischen Dingen fremdelt, welche der islamischen Religion ein Dorn im Auge sind. In diesem Kulturkreis sind ja Frauen vor allem deswegen verachtenswert, „weil sie keine Männer sind“, wie es im Roman heißt. Der Glaube an Allah wiederum ist kein entspanntes Vertrauensverhältnis, sondern eine gesetzesstrenge Knechtung durch die „Religionspolizei“. Ihr unterwerfen sich alle Menschen sklavisch, wissen nicht, was sie tun und machen aus dieser Unterwürfigkeit eine schützende Glaubensideologie.

Die Männer können mehr oder weniger tun, was sie wollen, die Frauen jedoch unterliegen strengsten Normvorschriften. Lustempfinden ist tabu, Körperverlangen eine Sünde. So müssen Frauen vor jedem Ordnungshüter Springtänze absolvieren, damit dieser an der Bewegung der Brüste sehen kann, ob diese nicht von einer westlich-dekadenten Halterung gefestigt sind. Und die phallisch geformten Auberginen oder Zucchini sind auf dem Gemüsemarkt den Frauen nur zerstückelt zu überreichen, damit es keine erotischen Wallungen gibt.

Diesen und anderen Irrsinnigkeiten widersetzt sich Bilqiss. Dadurch wird die auch noch als Single lebende Frau doppelt verdächtig. Und dann dies… Ein besoffener Muezzin ist nicht in der Lage, auf seinem Minarett zum Morgengebet aufzurufen. Bilqiss ersetzt ihn kurzentschlossen, fügt den Paragraphensätzen allerdings Eigenständiges hinzu. Das bringt die Volksseele zum Kochen und Bilqiss vor Gericht, wo ein wutschnaubendes Publikum dem Todesurteil durch Steinigung entgegen fiebert.

Aber der Richter gibt sich zögerlich. Er ist wider Willen fasziniert von der mutigen Frau, die nicht klein beigibt und die falsche Glaubenstreue ihrer Landsleute als unmündigen Gehorsam entlarvt. Doch er ist an herrschende Gesetze und Sitten gebunden, vermag privaten Gefühlen nicht zu folgen. Aber auch Bilqiss zeigt sich unbeugsam. Das Rettungsangebot einer ausländischen Journalistin schlägt sie aus. Mit ihrem Tod, den sie stoisch bejaht, will sie ein Zeichen setzen, die Menschen in ihrer Glaubensstupidität aufrütteln. IS-Ideologie ist da nicht weit, man bekommt durch diesen Roman, durch dieses Theaterstück eine Ahnung von kaum besiegbarem Fanatismus.

Die Inszenierung von Keller/Blackbox leugnet nicht die bescheidene dramatische Substanz der Theaterfassung. Ulrike Janssen bietet eine Inszenierung mit sparsamen Bewegungen und Gesten, vertraut primär der Wirkung des Wortes. Ein Zuviel an Aktion würde dem Text vermutlich auch nur schaden, welcher die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers erfordert.

Drei Darstellerinnen agieren. Susanne Seuffert ist zu Beginn eine textvermittelnde Erzählerin, wird später zur ausländischen Journalistin, welche der Verurteilten Hilfe anbietet, was diese - den Moralprinzipien ihres Landes letztlich unverbrüchlich verpflichtet - ablehnt. Der Titelfigur verschafft Franziska Seifert in ihrer Mädchenhaftigkeit Sympathien; ein herberer Tonfall hier und da wäre allerdings vorstellbar. Den Richter gibt Doris Plenert (die weibliche Besetzung erschließt sich nicht ganz). Die emotionale Zerrissenheit der Figur lässt sie auf leise Art intensiv spüren. Dezent Dietrich Körners Bühne: szenengliedernde Stoffbahnen, welche je nach Bedarf herunter gelassen oder herauf gezogen werden können.

Kein schneller Beifall am Schluss. Das Gesehene legt man auch nicht so schnell ad acta.