Der letzte Vorhang im Münster, Wolfgang-Borchert-Theater

Gestern, Heute und... vielleicht auch Morgen?

In einigen Wochen ist Premiere, doch Richard kann für das Zwei-Personen-Stück einfach keine Partnerin finden. Denn es ist schwer mit ihm. Er ist unzuverlässig und überhaupt ist nicht einfach mit ihm auszukommen. Denn Alkohol ist sein ständiger Begleiter und bisweilen muss er auch in seiner Stammkneipe übernachten. Und deshalb ist auch dieses Stück so wichtig für ihn.

Letzte Rettung ist Lies. Einige Jahrzehnte war sie seine Bühnenpartnerin und gemeinsam tourten sie sehr erfolgreich auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Doch dann stieg sie aus und lebt nun schon seit zehn Jahren als Frau eines Gynäkologen ein behagliches Leben in Südfrankreich – ist letztlich aber bereit, aus alter Freundschaft noch einmal mit Richard zu spielen.

Und hier setzt Maria Goos’ Der letzte Vorhang ein. Denn natürlich ist von konzentrierter Probenarbeit nicht die Rede. Gemeinsam reflektieren die Beiden ihre Vergangenheit und ihr heutiges Leben – mit Wortwitz und persiflierenden Elementen und einem gehörigen Schuss Melancholie. Lies dekonstruiert Richards romantisches Bild von „seiner“ Kneipe, während er sich in ihren Ehemann verwandelt – herrlich blasiert und überheblich. Und immer, wenn Einst und Jetzt auf’s Tapet gebracht werden, schwingt auch hier eine leise Ahnung von Zukunft mit. Maria Goos setzt in Der letzte Vorhang neben geschliffenen Dialogen vor allem auf die überraschenden Momente der Zeit- und Ortwechsel, die mit Rasanz und ohne Vorwarnung vollzogen werden. Leider nutzt sich dieser Effekt im Laufe der eindreiviertel Stunden etwas ab, wie auch einige Szenen etwas lang geraten und sich Wortspiele wiederholen.

Dass das nicht weiter ins Gewicht fällt und Der letzte Vorhang nicht in Parlando-Boulevard für Intellektuelle abgleitet, dafür sorgen vor allem Monika Hess-Zanger und Jürgen Lorenzen. Es ist, im Sinne der Wortbedeutung, eine Wonne, wie sie sich ihrer zu verkörpernden Charaktere annehmen. Stärken und Schwächen werden fein herausgearbeitet ohne auch nur ansatzweise in Stereotypen zu verfallen. Schwer beeindruckt vor allem die wunderbare Warmherzigkeit mit der Hess-Zanger und Lorenzen auf Lies und Richard blicken.

Da hat es Regisseur Meinhard Zanger leicht. Er kann sich voll und ganz auf seine Akteure verlassen. So genügen ein Sofa und viele leere Flaschen auf der Bühne, die quasi als Mini-Labyrinth Irrwege der Lebenswege symbolisieren, als Rahmen für zwei absolut bühnenpräsente Schauspieler. Und auch Janine Zschoche (Kostüme) braucht beispielsweise nicht mehr als einen dieser grassierend gern getragenen albernen Theaterschals, um Lies’ Ehemann als Pseudo-Kunstkenner zu entlarven.

Der Alkoholkenner Richard würde sein Resümee dieses Abends wohl so ziehen: Der letzte Vorhang prickelt sicher nicht wie Champagner im Glas, sondern hinterlässt eine wohlige Wärme wie heißer Punsch. Und das ist doch das Beste, was uns in der beginnenden kalten Jahreszeit passieren kann. Das Premierenpublikum sah das genauso und applaudierte begeistert.