Falsch im Theater Münster

Was ist die Wahrheit?

Haben sie, oder haben sie nicht? Die Schwestern Kat und Sis sitzen jedenfalls fest. Man beschuldigt sie, einen „Unfall mit Todesfolge“ verursacht und dann Fahrerflucht begangen zu haben. Doch wie hat sich das Ereignis wirklich zugetragen? Soviel steht anscheinend fest: Kat hat völlig betrunken auf dem Rücksitz geschlafen. Sis hat ihr erzählt, sie habe eine Leitplanke angefahren. Doch dann taucht plötzlich G. auf. Der ist ein heruntergekommener Zellbiologe, der mit ein paar Tieren unweit des Unfallortes lebt. Und er ist angeblich Zeuge des Ereignisses, weiß etwas.

Lot Vekemans hat diese Szenerie in Falsch entworfen, das in der kleinsten Spielstätte des Theaters Münster, dem U2, seine deutschsprachige Erstaufführung feiert. Das ist der ideale Ort für dieses Stück. Sechzig Zuschauer können wirklich fast hautnah die Qualen der drei handelnden Personen erleben, die sie in einem hermetisch abgeriegelten Raum erleben.

Denn außer diesem Verhörraum, der Kat, Sis und G. zwingt, sich auf sich selbst zu besinnen, lässt die Autorin im Grunde alles offen. Weiß man wirklich, ob ein Polizeirevier der Ort der Handlung ist? Kann sich alles nicht nur im Hirn des Personals abspielen?

Wie auch immer. In dieser Situation müssen die Schwestern ihr Verhältnis zueinander klären. Kat ist Schauspielerin, deren Karriere sich dem Ende neigt. Sie ist aber rational beschlagen, weiß auf alle Probleme eine Antwort. Nur auf ihre eigenen nicht. Seit dem Tode ihres Mannes ist sie zur Alkoholikerin geworden. Sis ist ein Fernsehsternchen – B-Promi würde man sagen – und nur auf ihren guten Ruf bedacht.

Diese Gegensätze arbeitet Lot Vekemans fein heraus – wie auch die Person des G. Der hat sich irgendwann aus dem realen Leben verabschiedet und wird nun von seinen Peinigern mit körperlicher Gewalt gezwungen, seine Sicht auf den Unfall zu offenbaren. Als alle Drei aufeinander treffen, entladen sich die Spannungen bis in die Entfaltung körperlicher Gewalt.

Am Ende ist eigentlich alles klar: Sis gibt zu, den Unfall verursacht zu haben, G. erklärt, alles beobachtet zu haben. Und erst da entdecken G., Kat und Sis ein kleines Fenster im Verhörraum, das ein wenig Licht herein lässt.

Lot Vekemans hat mit Falsch ein Stück verfasst, das in höchstem Maße nach Eingeständnis eigener Schuld und auf eschatologische Heilserwartung vertraut. Das ist ein klares, mutiges Statement.

Frank Behnke inszeniert im U2. Er vertraut völlig auf das Zusammenspiel seines Teams, fordert Ulrike Knobloch, Bálint Tóth und Carola von Seckendorff auf, sich im Miteinander zu ergänzen und sich individuell zu profilieren. Das gelingt gerade im unmittelbaren Zuschauerkontakt hervorragend.