Übrigens …

Rio Reiser – Wann, wenn nicht jetzt? im Neuss, Rheinisches Landestheater

„Keine Macht für Niemand“

Sebastian Zarzutski verfasste die Textvorlage für den Abend über Rio Reiser, der mit und ohne seine Band „Ton, Steine, Scherben“ Musikgeschichte schrieb, und führte auch Regie.
Zum Erfolg dieser Produktion, die von Zitaten Reisers, aber in erster Linie von seinen Liedern geprägt wird, tragen Band und auch musikalisch sehr talentierte Schauspieler bei. Anna Lisa Grebe, Philipp Alfons Heitmann, Michael Meichßner und Stefan Schleue spielen und singen absolut hin- und mitreißend. Begleitet werden sie von Stefan Gesell (Schlagzeug), Daniele Lucci (Gitarre), Konstantin Winstroer (Bass) und Jürgen Dahmen (Klavier, Keyboards).

Der Abend beginnt mit einem eher verhaltenen Sprechgesang: „Als ich in jener schlaflosen Nacht…“. Wir erfahren von den vier Akteuren einige Episoden aus Rio Reisers Kindheit und Jugend. Die Schauspieler wechseln sich ab, wenn sie Rio spielen oder über politische Ereignisse der 60/70er Jahre berichten und sie kommentieren. Ein blendend aufeinander eingespieltes Quartett, das mühelos verschiedenste Stimmungen schafft – von der nachdenklich-amüsierten Beschreibung des ländlichen Kommunendaseins der Band („Zuhause“ skizziert fast eine bürgerliche Idylle) über aggressive Songs wie „Alles Lüge“ oder „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ (wobei die Bühne, eine Art grüne Treppe, auch vorübergehend verwüstet wird) bis zu nüchternen Meldungen über Hausbesetzungen und Schah-Besuch in Berlin und den damit verbundenen Revolten.
Zu den vielen äußerst kreativen Ideen, den Abend lebendig und anschaulich zu gestalten, gehört, dass in einer Szene die Schauspieler die Bühne verlassen, über Stuhlreihen in den Zuschauerraum (der plötzlich erleuchtet ist) klettern und sich quer über die Köpfe des Publikums hinweg unterhalten. So hören wir die amüsante „Anekdote von der Bereitschaftspolizei, die häufig kam“ und erfahren von den finanziellen Problemen der „Scherben“ („die lebende Legende von der Band, die eine Revolution anzetteln wollte und gescheitert ist“).

Rio Reiser, mit bürgerlichem Namen Ralph Möbius, unterschrieb einen Solovertrag bei einer Plattenfirma und hatte auch kommerziell Erfolg, wozu der Song „König von Deutschland“ gut passt.1996 starb Reiser an den Folgen seines rastlosen Lebens. Jeder der älteren Generation kennt zumindest einige der Lieder Reisers. Die Bandbreite der Stimmungen und Themen, die musikalische Vielfalt der Songs jedoch wird dem Zuhörer bei dieser mitreißend präsentierten Zeitreise erst richtig bewusst. Ein unbedingt sehens- und hörenswertes Theatererlebnis.