Nur moderne hörige Sklaven?
„Wir sind der Fortschritt - denn alle Menschen müssen sterben“, so tönte einer der Heloten, der künstlichen Menschen, sehr selbstbewusst geworden gegen Ende von knapp zwei recht anstrengenden Theaterstunden. Was gab´s zu erleben auf der Studiobühne in der ehemaligen Mensa der Universität Köln? Die renommierte Theaterakademie im Herzen von Köln bildet in acht Semestern junge Schauspieler*innen aus, an deren Ende immer eine sogenannte Diplom-Abschlussinszenierung steht, über welche die Eleven selbst bestimmen dürfen. Problem war heuer, dass sich unter den acht Absolventen nur ein Mann befand; mangels eines passenden Stücks setzte man auf Eigenleistung. Sabina Kukuk, Autorin, Designerin und Schauspiel-Absolventin, schrieb nach langen Diskussionen ein Stück zum Thema „Künstliche Intelligenz“, die zunehmende Aktualität erfährt. Anleihen holte man bei den Sci-Fi-Filmen Bladerunner (1982) und Kubrick´s 2001 im Weltraum; HAL, der intelligente Computer, findet sich im Namen „Halena“ wieder, ebenso die Trennung der „Kabelschnur“ eines Heloten von seiner Führungsperson, der dann - genau wie bei Kubrick - „Hänschen klein“ singt. Thema ist das Vorhandensein eben dieser Heloten, künstlicher Wesen, die eigentlich ihren zugehörigen Menschen und Primärusern folgen müssen, aber zunehmend ausbrechen und unabhängig sein wollen. Zitat nach griechischem Vorbild: „Ich kann ja atmen, also bin ich frei“.
Der kritische Zuschauer fragt sich schon, warum ein derartig komplexes Stück, vollgepackt von Anspielungen und Zitaten, als Abschlussinszenierung gewählt wurde; zumal die Anforderungen an die Schauspieler in den verschiedenen Rollen sehr unterschiedlich sind und eine differenzierte Beurteilung erschweren. Natürlich ist das Thema „künstliche Intelligenz“ hochspannend vor allem für junge Leute. Man fragt sich zu Recht, was passiert, wenn sich die Maschinen auf einmal ihrer Existenz bewusst sind. Noch sind Heloten, die Unterklasse im alten Sparta, moderne hörige Sklaven, Nachfolger der Kölner Heinzelmännchen vielleicht, aber was passiert, wenn ihre Programmierung aus dem Ruder läuft und sie feststellen „Ich bin“? Und klappt es immer störungsfrei mit dem Transfer zwischen Mensch und Helot?
Im Stück gibt es mehrere Heloten, die von einer Google-ähnlichen Firma vermutlich aus Silicon Valley HalenaPrimus gefertigt und programmiert werden. Sie bewegen sich wie Puppen mit immer gleicher Gestik, erinnern an Break Dance, machen Hausarbeit, es gibt eine Andeutung von Sex. Regisseur André Erlen hat das Stück auf weitgehend nackter Bühne von Natalie Buba und in den Kostümen von Sabrina Flöhl und Sarah Klose inszeniert. Schon sehr spannend, wenn man die Akteure zwischen Puppenfragmenten diskutieren hört über wesentliche Fragen unseres Lebens und unserer Zukunft: Wer sind wir überhaupt, wie geht es weiter mit der künstlichen Intelligenz, brauchen Maschinen wie die Heloten uns Menschen auf Dauer überhaupt noch ? Welche Daseinsberechtigung haben wir dann überhaupt noch? Und: können oder müssen wir diesen Fortschritt überhaupt aufhalten? Die Identitätskrise lässt grüßen.
Aber wie so oft wären hier weniger Themen und mehr einzelner Tiefgang vielleicht mehr gewesen, das Stück verzettelt und zerfasert sich zusehends, zu viele Figuren und zu viele Andeutungen, Einzelaktionen und Details lassen den Zuschauer nur mühsam folgen. Ob HalenaPrimus dauerhaft im Repertoire Bestand haben wird, ist nicht sicher; aber als Abschlussarbeit, die auch ein erhebliches theaterpädagogisches Potenzial hat, ist das Stück sehr zu begrüßen, und das gerade in der hochaktiven Freien Theaterszene Köln. Das sehr engagierte und äußerste spielfreudige und professionelle Schauspielerteam (darunter neben der Autorin auch Sabrina Flöhl, Natalie Buba, Sarah Klose, Tom Raczko, Sahra-Schirin Vafai, Julia von Maydell und Sophie Rossfeld) soll hier nicht einzeln bewertet werden. Mit langem jubelndem Applaus bedankt sich das Publikum im fast vollbesetzten Haus.
(Zwei weitere Aufführungen sind geplant für den 17. und 18. März 2018)