Ein Spiel im Spiel?
„Es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende.“ So beginnt Becketts düstere Komödie Endspiel. Wer so einsetzt, grenzt sich ab, verabschiedet sich von einer Sache, einer Beziehung, einer Gewohnheit, von lange gültigen Regeln. Wie geht es weiter? Im Stück wird oft von „Pause“ gesprochen - eine Art Zwischenzustand vor etwas Neuem? Hamm, der auf einer Art Thron sitzende Herr, und Clov, sein Diener, sind gefangen an einem trostlosen Ort, der nicht näher definiert ist. Ebenso wie Nogg und Nell, Hamms Eltern, die „verfluchten Erzeuger“. An den Seitenwänden befindet sich je ein Fenster, aus dem Clov zuweilen einen Blick auf eine öde Landschaft wirft.
Bei Endspiel handelt es sich weder um ein Spiel im Spiel noch um ein sich logisch entwickelndes Geschehen auf der Bühne, eher um ein Spiel, das den Bezug zur Realität kappt, das nicht endet, das im Grunde auf das Publikum und dessen Erwartungen keine Rücksicht nehmen muss.
Als das Stück 1957 zum ersten Male aufgeführt wurde, hinterließ es bei einem großen Teil des Publikums ein Gefühl der Ratlosigkeit. Becketts Endspiel unterläuft alle Versuche einer eindeutigen Sinnzuschreibung. Der Autor selbst hat konsequent jegliche Interpretation verweigert, lediglich den Bezug zum Schachspiel betont. Sein Werk vergleicht er mit der letzten Phase einer Schachpartie, in der die Gegner sich in letzten Zügen umkreisen.
Hamm und Clov sind abhängig voneinander, traurige Clowns in einem absurden und grotesken Clinch. Hamm, blind und daher auf Clov angewiesen, kommandiert diesen unfreundlich herum. Das Wissen um die Speisevorräte in dieser Endzeit verleiht ihm Macht. Martin Reinke glänzt in dieser Rolle. Mal herrisch-arrogant und pedantisch als Herr, dann wieder larmoyant um Aufmerksamkeit heischend, wenn er die Geschichte von einem Bettler und seinem Kind erzählt. Kläglich bis weinerlich, wenn er um seine Pillen bettelt. Bruno Cathomas steht Reinke in nichts nach, was Intensität und Facettenreichtum des Spiels betrifft. Immer wieder droht er: „Ich verlasse dich.“, um dann doch wieder nicht zu gehen. Mal servil, dann wieder aufmuckend und doch nicht die Flucht ergreifend, Köstlich, wenn er einen Floh in seiner Unterwäsche jagt oder sich bei dem Versuch, sich von Hamm loszureißen, teilweise entkleidet und die Posen eines - etwas sehr fülligen - Bodybuilders einnimmt. Anrührend und fast poetisch, wenn er ein Lied vorträgt und im Faltenrock über die Bühne tänzelt.
Nells (Margot Gödrös) Tod und das Beklagen desselben durch Nagg (Pierre Siegenthaler) zeigen schon früh die Hoffnungslosigkeit der Situation. Clov verlässt - nach unendlich oft geäußerter Androhung, er wolle gehen - Hamm am Ende. Dieser zieht sich ein Taschentuch über das Gesicht und stirbt mit den Worten: „Da es so gespielt wird, spielen wir es eben so.“ Cornelius Borgolte hat die musikalische Einrichtung des Abends gestaltet. Vier Musikerinnen (Sophie Moser, Pauline Moser, Zuzana Leharova, und Ella Rohwer) kommentieren eindrucksvoll mit ihren Streichinstrumenten diverse Stimmungen und Szenen.
Rafael Sanchez ist ein überaus eindrucksvoller Abend gelungen mit einem brillanten Schauspielerduo im Zentrum.