Höherer Blödsinn – aber sehr unterhaltsam
René Heinersdorff, Altmeister der flotten Komödie, hat Ketten der Liebe, das neue Stück von Tom Gerhard - sein erstes Bühnenwerk - und seinem langjährigen Theaterfreund Franz Krause (der seinen Nachnamen für den „Hausmeister“ spendiert hatte), mit leichter Hand ins Kölner „Theater am Dom“ gebracht, eine Bühne, die weit in den Zuschauerraum hineinragt; eine prima Voraussetzung für eine transparente Inszenierung. Natürlich ist die Geschichte schon von Beginn an abstrus und verdichtet sich immer mehr bis zum Exzess – aber auch mit Happy End. Tom Gerhard hatte in Dinner für Spinner bereits 2015 den einfältigen Tollpatsch gespielt, der aber rasch den Spieß umdrehte und seine „Peiniger“ alt aussehen ließ. Hier mimte er den Chef eines Andy-Roth-Fanclubs, der zwei Stunden vor einem Auftritt seines geliebtes Idols backstage dabei sein (putzige Bühne von Johannes Fischer mit Schminktisch und Plakaten) und seinen Star befragen darf. Andy (brillant: Dustin Semmelrogge), ganz in rot gekleidet, ein erfolgreicher Soft-Rock-Sänger, ist auch als Mann sehr von sich überzeugt; er schnupft noch rasch eine Nase Kokain und riecht an seinen Fingern, nachdem er sich vorne in die Hose gegriffen hatte. Andy geht mit seiner Freundin und Managerin Vera (Jeannine Burch) die Checklisten vor seinem nahenden Auftritt durch; den gewonnenen Besuch von Matthias Bommes hatte er schlicht nicht mehr auf dem Schirm. Für sein Idol hatte dessen Fanclub ein besonderes Geschenk gebastelt: ein beleuchtetes Modell der Bühne von Andy, an der sich der Star prompt einen elektrischen Schlag holt und erst mal ausfällt. Der einfältige Bommes, mit Bermuda-Shorts, Turnschuhen und Bauchtasche, an der er ständig herumnestelt, ist schon eine traurige Figur, wenn er von seinem Fanclub erzählt, bei dessen Treffen sie die Auftritte ihres Idols nachspielen und seine Texte diskutiert werden: das ist halt sein Leben. Die Zeit drängt; total irre wird eine Probe, wo Bommes sich als Friedenstaube aus der Show, die er in allen Einzelheiten kennt, anbietet, da sich die eifersüchtige Managerin beleidigt verdrückt hat. Denn da kam ein weiterer ganz großer Fan:
Das kesse Groupie (Sonja Kerskes), die gemäß Andys größten Song Ketten der Liebe Handschellen mitgebracht hat, als 17-jährige auch eine Affäre mit ihm hatte und sich für ein Selfie an ihn fesselt. Prompt verschluckt Tölpel Bommes den Schlüssel; rasch eingenommenes Glaubersalz bringen ihn zwar wieder hervor, aber der Trottel spült diesen in die Toilette. Ein Riesenproblem, weil der Freund der Dame, ein Sanitäter (Armin Riahi) extrem eifersüchtig ist und gewalttätig sein kann; da ist es schon sehr schwierig, diese mechanische Verbindung zu verstecken. Bommes holt den Hausmeister (natürlich auch von Tom Gerhard zur Freude des Publikums und im üblichen grauen Kittel gespielt). Und muss die Geheimnistuerei auch vor einer BILD-Reporterin verbergen, die eine schlüpfrige Story wittert, heimlich aufgenommene Fotos, eine Sound-Datei und den Artikel bereits fertig hat und diese an ihre Redaktion senden möchte zur sofortigen Veröffentlichung. Aber auch sie hatte mal ein Verhältnis mit Andy, so hält sie sich zurück; außerdem zerstörte ein Virus das vergessene Handy der Reporterin. Die Zeit drängt, Andy muss auf die Bühne, die junge Dame muss zwangsweise mit und will seinen Fans die Wahrheit über ‚Andy und sie selbst sagen. Das ausgebuchte Konzert ist bereits abgesagt, als der Sanitäter den Zweitschlüssel zieht und die Managerin „Du bist der Pulsschlag meines Lebens“ nun doch erscheint – alles ist wieder gut.
Die Akteure auf der Bühne agieren allesamt sehr überzeugend, Sonja Kerskes und Armin Riahi haben gleich zwei Rollen: sehr spielfreudig, mit gutem Timing und offensichtlich mit ganz viel Spaß an der Sache. Vor allem: es wird nicht zu albern; da merkt man schon den erfahrenen Regisseur, der vor Peinlichkeiten bewahrt. Tom Gerhard ist natürlich schon der Mittelpunkt, er hält sich aber zurück und spielt niemanden an die Wand.
Man muss allerdings ein wenig seine eigenen intellektuellen Ansprüchen zurückschrauben, um richtig Spaß an dieser verrückten Geschichte zu haben. Aber das weiß man ja vorher. Vor allem, wenn die Lockmittel und Nachforschungen der Boulevard-Presse für gesellschaftlichen Klatsch derart trefflich auf den Arm genommen werden.