„Something is rotten in the state of Denmark.“
Hamlet in der Inszenierung von Roger Vontobel kommt ganz anders daher, als man es gewohnt war. Das Bühnenbild zeigt eine prunkvolle Theaterkulisse, es ist ein Theater im Theater. In den Logen sitzen Hamlets Mutter Gertrud, sein Onkel Claudius sowie die Freunde Rosenkranz und Güldenstern. Sie alle schauen herab auf das Schauspiel des Prinzen von Dänemark. In der Mitte an der Bühnenrampe steht ein Schlagzeug. Hier tritt die fünfköpfige Band auf.
Irisierender, fesselnder, fanatischer Mittelpunkt des Abends – sowohl als Schauspieler wie auch als Musiker und Sänger – ist Christian Friedel als Hamlet. Rechts und links von der Bühne hängt ein übergroßes Schwarzweißfoto von Hamlets Vater, der ernst blickt. Es erinnert etwas an Hemingway oder Orson Welles. Eine Art Übervater?
Hamlet, ganz in Schwarz, singt: „I call thee, Hamlet, king, father, royal Dane, king, father, royal Dane. O, answer me.“ Immer wieder läuft er von der Bühne, um gleich darauf zurückzukehren. Er wirkt wie unter Strom stehend. Man fühlt seinen unendlichen Schmerz mit, seinen Zorn, seine Verzweiflung ob des Todes seines Vaters. Friedel ist ein jederzeit präsenter, bestechender Hamlet, dessen Rachegedanken sich gegen den Onkel (überzeugend: Raiko Küster) und seine Mutter (Hannelore Koch als Fürstin, die auszugleichen sucht), die leicht pikiert aus ihrer Loge dem scheinbar zügellosen Wüten Hamlets zuschauen. Wenn er sagt: „Vater, das ist jetzt nur für dich.“, wird seine enge Bindung zum Vater überdeutlich, die seine Wut, ja sein Wüten beflügelt. Die Musik setzt aus, während der Dänenprinz seinen berühmten Sein- oder –Nichtsein- Monolog führt. Das verleiht diesen Worten und Gedanken eine besondere Schärfe und Klarheit.
Die Musik dominiert im ersten Teil des Abends. Sie wird nur ab und zu durch kurze Spielszenen in den Logen unterbrochen. Zwischen Claudius und Gertrud , Polonius(Ahmad Mesgarha) und Laertes (Matthias Reichwald) und Ophelia (Deleila Piasko), Rosenkranz (Jannik Hinsch) und Güldenstern (Alexander Ganz). Letztere sind mit ihrem braven Pullunder-Outfit schon optisch ein Kontrast zu Hamlet. Dessen Freund Horatio (Christian Clauß) tritt zuweilen aus dem Zuschauerraum auf, um ihm zu Hilfe zu eilen. So führt er u.a. die Kamera beim finalen „Mausefallenspiel“, mit dem Hamlet seinen Onkel und seine Mutter des Mordes an seinem Vater überführen will.
Nach der Pause steht die Musik nicht mehr im Mittelpunkt. Die goldene, verschnörkelte Theaterkulisse wird in Zimmer verwandelt. Selbst diese verschwinden später und am Ende bleibt nur ein roter Teppich vor einem schwarzen Hintergrund mit Sternenhimmel. Die Inszenierung wird konventioneller und zieht sich etwas in die Länge. Laertes will den Tod seines Vaters Polonius rächen, den Hamlet erstach. Ophelia verfällt ob der Demütigungen durch Hamlet dem Wahnsinn und wird mit ihrem Vater zu Grabe getragen. Diese beiden Toten sind, zusammen mit Horatio, die Zuschauer des Mausefallenspiels, bei dem Hamlet alle Rollen übernimmt. Ein schauspielerischer Höhepunkt zum Ende des Abends, springt doch Friedel behände hin und her, spielt alle Beteiligten so überzeugend, dass sie uns fast realistisch erscheinen.
Eine faszinierende Inszenierung, bei der auch die Sprache in der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel sich nahtlos in den Spannungsbogen einfügt. Ein Abend mit einem sehr guten Ensemble und einem überragenden Hamlet.