Übrigens …

Das siebte Kreuz im Oberhausen, Theater

Beeindruckende Inszenierung

Im Theater Oberhausen erlebte jetzt Anna Seghers Roman Das siebte Kreuz in der Inszenierung von Lars-Ole Walburg eine beeindruckende und zugleich bedrückende Premiere. Der Roman ist eine Beschreibung der deutschen Zustände in einer Zeit, in der das Unfassbare noch auf Hoffnung stieß. Geschrieben hat Seghers ihn nach ihrer Flucht aus Nazideutschland ab 1938 im Exil in Südfrankreich. Er wurde nicht zuletzt durch die US-Verfilmung mit Spencer Tracy im Jahre 1944 berühmt.

Die Zuschauer im Theater Oberhausen sind zunächst geblendet. Zahlreiche Scheinwerfer strahlen grelles Licht in den dunklen Zuschauerraum. Das schmerzt zunächst, macht aber Sinn, denn die auf der als düster abschüssiges Hakenkreuz gestalteten Bühne ist das von den Nazis errichtete „Konzentrationslager Westhofen“ zu sehen, das dem Lager Osthofen bei Worms nachempfunden ist. Hier wurden von März 1933 bis Juli 1934 politische Häftlinge malträtiert, vor allem Kommunisten.

Seghers wollte zeigen, dass nicht alle Deutschen zu Nazis geworden waren, und stellte in ihrem Roman die Frage nach den Möglichkeiten eines inneren Widerstands gegen die faschistischen Machthaber. Sieben Häftlinge fliehen gemeinsam aus diesem Lager. Die unmittelbar danach einsetzende Hetzjagd dauert sieben Tage und Nächte. Sechs der Geflohenen werden wieder eingefangen. Einem einzigen, Georg Heisler, gelingt die Flucht.

In Oberhausen sind fünf Schauspieler auf der Bühne und der Musiker Martin Engelbach, der den Soundtrack liefert, von dröhnenden Gewehrsalven über Hammerschläge für die Holzkreuze, die der KZ-Kommandant errichten lässt bis hin zur Orgelmusik in einer katholischen Kirche. Vom Lager sieht man nichts im Bühnenbild von Maria-Alice Bahra, die Stationen auf der endlosen Flucht von Heisler werden mit minimalen Requisiten erzählt.

Schwierig, dass jeder der fünf Schauspieler mal Heisler ist. Dadurch hat man als Zuschauer nicht wirklich die Chance, mitzufühlen und mitzuleiden mit dem Protagonisten. Die für Seghers typische Erzählform auf der Bühne ist umständlich. Die Darsteller wirken oft nicht wie Akteure, sondern nur als Beobachter des mitunter schrecklichen Geschehens auf dem schmalen Hakenkreuz, dass im Verlauf der gut 100 Minuten durch Matsch, Blut und Tränen getränkt wird.

Heisler kriecht, stolpert, taumelt oder rennt während seiner Flucht und trifft immer mal wieder auf Menschen, die ihm helfen, aber natürlich auch auf Denunzianten und Personen, die Hilfe verweigern. Seine blutige Hand versorgt ein jüdischer Arzt, den ersehnten Schlaf während seiner einwöchigen Flucht findet er ausgerechnet bei einer Prostituierten, eine alte Frau schenkt ihm neue Kleidung.

Was anfangs für Lacher im Publikum sorgt, gerät im Verlauf des Abends zu einem eher peinlichen Running Gag. Walburg lässt einen der Schauspieler als den deutsch-polnischen Autor und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) Seghers Intentionen erklären. Dabei versucht der Mime die Sprache des jüdischen Literaten nachzumachen und scheitert natürlich daran. Diese Passagen könnte man durchaus aus der Inszenierung streichen.

Schade auch, dass eine kurze Szene im Hintergrund der Bühne fast übersehen werden kann. Da lässt der Regisseur unter dem von den KZ-Männern errichteten Holzkreuz Jesus, Maria, Maria Magdalena und den Jünger Johannes auflaufen und anklagend die Hände erheben. Ein starkes, leises Bild in der oft extrem lauten Inszenierung.

Am Ende gab’s langanhaltenden und verdienten Applaus für einen schweren Theaterabend, ein einprägsames Bühnenbild und gute schauspielerische sowie musikalische Leistungen.