Übrigens …

Der letzte Bürger/Bilder von uns im Theater Bonn/Schauspiel Wuppertal

Lebenslüge und Verdrängung: Zweimal Melle in NRW

Der im Jahre 1975 in Bonn geborene Romancier und Dramatiker Thomas Melle arbeitet bereits seit dem Jahr 2009 in unregelmäßigen Abständen mit dem Schauspiel Wuppertal zusammen. In den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit geriet er erstmals im Jahre 2011, als sein Roman Sickster auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis auftauchte. 3000 Euro schaffte es 2014 sogar auf die Shortlist. Seinen Durchbruch erlebte der Autor mit der Einladung seines Stücks Bilder von uns in der Uraufführungs-Inszenierung von Alice Buddeberg vom Theater Bonn zum Mülheimer „Stücke“-Wettbewerb 2016 (siehe hier). Endgültig zum Erfolgsautor wurde Melle dann mit seinem Roman Die Welt im Rücken, einer Chronik der bipolaren Störung des Autors in drei manisch-depressiven Schüben: Die ZEIT konstatierte voller Bewunderung eine „kräftezehrende Lektüre“ und „grandiose Literatur“. Erneut landete Melle mit diesem Roman im Jahre 2016 auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis.

Melle ist mittlerweile auf vielen Theaterbühnen präsent. Mit seinem Text Versetzung (siehe hier) in der Uraufführung durch das Deutsche Theater Berlin ist er für den Mülheimer Dramatikerpreis 2018 nominiert. In Bonn inszenierte Alice Buddeberg mit dem gleichen Team wie vor zwei Jahren sein jüngstes Werk Der letzte Bürger, und das Schauspiel Wuppertal präsentierte zu Beginn dieser Spielzeit ein hochgelobtes Nachspiel von Bilder von uns. theater:pur blickt auf die beiden NRW-Inszenierungen.

 

Vom Untergang des Bürgertums: Der letzte Bürger wird in Bonn mit gemischtem Erfolg aus der Taufe gehoben

 

Eine Familie - November: irgendwo in Deutschland. „Ich sage nichts ohne meinen Anwalt“, ruft Leo Clarenbach. „Das war der Satz, den er nicht gesagt hat, den er aber hätte sagen sollen“, konstatiert Tochter Wiebke zwischen Lakonie und Bitterkeit. Denn Leo Clarenbach, Abgeordneter im Bundestag der alten BRD, war DDR-Spion. Nach dem Fall der Mauer wurde er enttarnt. Für den in gutbürgerlichen Verhältnissen lebenden, aber linken Utopien nachhängenden Clarenbach war der 9. November 1989 auch im Privatleben eine Zeitenwende. Er wurde verhaftet, seine Familie zerstritt sich und zerfiel. Die Lebenslüge von einer glücklichen Familiengemeinschaft zerplatzte.

Erneut schreiben wir den 9. November. Es ist der 9. November 2016, und Leo Clarenbach liegt im Sterben. Seine Familie hat sich noch einmal um ihn versammelt - „um dem Untergang beizuwohnen“, wie einer von Clarenbachs Söhnen bitter bemerkt. Der Untergang läuft auch im Fernsehen: Fox News berichtet von der US-Präsidentenwahl. Es ist wieder eine politische Eruption: Ein bösartiger Clown ohne bürgerlichen Moralbegriff wird der mächtigste Mann der Welt. Für die Familie Clarenbach ist der 9. November 2016 auch im Privatleben eine Zeitenwende: Vater stirbt, das Haus ist nicht mehr zu halten. Eine gemeinsame Lebenslüge hat die Familie schon lange nicht mehr, doch jeder hat seine eigene. Aber nun kommen Wahrheiten auf den Tisch.

„Womit beginnt es?“, ist eine immer wieder (von verschiedenen Figuren) gestellte Frage. „schtzngrmm“, antwortet der Vater - Wolfgang Rüters halbdementer Leo kennt seinen Jandl noch. Vielleicht war Vater traumatisiert vom Einsatz für die Wehrmacht im 2. Weltkrieg. Eher wohl ist es die Verstrickung der Familie in die nationalsozialistische Vergangenheit, die Anlass war für seine Sympathien mit der RAF und ihn ansprechbar machte für Anwerbeversuche durch den Auslandsnachrichtendienst der DDR: Der Wohlstand der Familie komme von Auschwitz, heißt es einmal. Doch soweit zurückdenken will die Familie nicht. „Es beginnt mit dem Garten“, heißt es später einmal - und im Video sehen wir Leo und seine Gattin Tessa in jungen Jahren. Bei ihnen: das heutige loyale Clarenbach-Hausmädchen Luise Pofalla genannt Lupo. Lupo wie Wolf, Wolf wie Markus Wolf, der Chef des DDR-Geheimdiensts. Thomas Melle spielt mit Namen wie Thomas Mann: Lupo war einst die Honigfalle, mit Hilfe derer der DDR-Geheimdienst Leo als Spion anwarb. Heute ist sie Leos Altenpflegerin und die einzige, die im Familienzank kühlen Kopf behält.

Womit also hat die tragische Geschichte dieser Familie tatsächlich begonnen? - „Mit einer Familie“, „mit Liebe und Freiheit“, „mit einem unglaublich blöden Volk“, „mit einem Absturz“ - vergeblich sucht die Familie die Antwort auf diese Frage. Der Absturz - das ist der Gedanke von Vater Leo, dem dazu die Geschichte von Joseph Beuys und dem Abschuss von dessen Militärmaschine über der Mongolei einfällt, deren weiterer Verlauf, wie wir heute wissen, in weiten Teilen herbeiphantasiert wurde - zur Selbstinszenierung. Die Selbstinszenierung der einzelnen Familienmitglieder scheitert genauso wie der Versuch der Aufarbeitung der Vergangenheit. Leos Tochter Wiebke, nach eigenen Worten „gesandwicht zwischen zwei Würstchen“ (nämlich dem älteren Bruder Jasper und dem jüngeren Bruder Holm) fühlt sich als die stärkste Persönlichkeit unter den Geschwistern. Sophie Basse unterlegt dies mit vordergründig selbstbewusstem Auftritt, doch längst scheint ihre Wiebke die Brüchigkeit ihrer Lebenslüge zu spüren. Sie ist unabhängig, hat ihren unehelichen Sohn Paul dem Bruder Jasper (Holger Kraft) untergeschoben und lehnt jedes Konzept von Familie ab. Auch das ist eine Lösung, dem Vorbild der Eltern zu entkommen, doch glücklich wird sie dabei nicht. - Jasper, der Älteste, leidet darunter, nie eine Beziehung zum Vater gehabt zu haben; auch beruflich hat er Rückschläge hinter sich, die sich küchenpsychologisch mit der schwierigen Familienkonstellation erklären lassen. Niemand sucht die Schuld am eigenen Scheitern bei sich; man schiebt die Verantwortung bequemerweise dem Vater in die Schuhe. Nur Holm, das jüngste und bei Sören Wunderlich zunächst sympathischste der Geschwister, sieht das differenzierter und kümmert sich liebevoll um den sterbenden Leo. „Alles, was wir sind, sind wir durch unsere eigenen Entscheidungen“, sagt er und unterfüttert seine Auffassung durch eine Aufforderung zum Blick voraus: „Übernehmt Verantwortung, stellt den guten Namen der Clarenbachs wieder her.“ Doch was optimistisch und vorwärtsgewandt klingt, erweist sich in Wahrheit als Hilferuf. Beide, Holm und sein Vater, leiden an Schuldkomplexen. Nur das energische Einschreiten von Lupo hat verhindert, dass sich beide das Leben nahmen …

Letztlich will das Stück jedoch weit mehr als eine Familienaufstellung sein. Autor Thomas Melle hat (wie schon in Bilder von uns) auch den Blick auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen im Sinn. Am 9. November 1989, mit dem Untergang der sozialistischen Utopien im Osten Europas, zerplatzte nicht nur die Lebenslüge der Familie Clarenbach. Mit der Wende - so behaupten es Thomas Melle und seine Regisseurin Alice Buddeberg - gingen auch die letzten Reste des Bürgertums unter, und Leo Clarenbach ist der letzte ihrer Vertreter. Wobei Melle und Buddeberg das Bürgertum definieren als eine Klasse, die im Wohlstand lebt und sich der Verantwortung für das Wohlergehen und die Mitgestaltung der politischen und gesellschaftlichen Kultur des Landes bewusst ist. Ist es tatsächlich untergegangen? Zweifel seien angemeldet. Melles Stück ist eigentlich zutiefst bürgerlich und ähnelt in weiten Teilen den Gesellschaftspanoramen und Mentalitätsbeschauen, die die Stücke-Schreiber der alten Bundesrepublik und ihrer westlichen Nachbarländer unmittelbar vor der Wende zu schreiben pflegten. Alice Buddebergs Inszenierung erinnert an Judith Herzbergs Über Leben-Trilogie, bisweilen angereichert mit einer Prise Botho Strauß.

Die Charaktere in Der letzte Bürger erscheinen - von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen - verhaftet in ihrer bürgerlichen Erziehung. Aber zumindest die mittlere Generation findet darin keinen Halt mehr, während die Enkel in rechte Ideologien (Paul), in naive Überforderung (Laura) oder aber ganz aus der analogen Welt flüchten (Tilman). Ein Beleg für Melles These, dass das Bürgertum mit den beiden politischen Ereignissen, die die Folie seiner Familiengeschichte bilden, stirbt, mag die Wahl der dümmlichen Karikatur eines Großbürgers zum US-Präsidenten oder die Figur des von Hajo Tuschy in ihrer Ambivalenz überzeugend dargestellten, Halt in rechten Ideologien suchenden Paul Schütz sein. Aber auch Paul Schütz sucht letztlich Halt in familiären Werten und einem Heimatbegriff, an den er glauben kann. Auch das sind zutiefst bürgerliche Sehnsüchte, die bei dem labilen, in der Darstellung von Tuschy weniger gefährlich als vielmehr therapiebedürftig wirkenden Paul allerdings einen gehörigen Schuss ins Reaktionäre haben.

Alice Buddeberg macht es dem Zuschauer nicht einfach, sich in der umfangreichen Personnage zurecht zu finden. Videos und Rückblenden, in denen die Schauspieler jeweils andere Figuren der gleichen Familie darstellen, tragen zur Verwirrung ebenso bei wie die Tatsache, dass manche Rollen nicht altersgerecht besetzt sind. Aber alle Schauspieler erhalten die Gelegenheit, in einzelnen Szenen zu glänzen, wobei insbesondere Hajo Tuschy, Sophie Basse und Wolfgang Rüter, mit Abstrichen auch Sören Wunderlich nachhaltig in Erinnerung bleiben. Dennoch kann die Inszenierung nicht vollständig überzeugen. Letztlich fehlt ein herzhafterer Regiezugriff auf das etwas konventionell geratene Stück und seine klassischen Konfliktsituationen. Weitere Versuche mit diesem Text sind willkommen!

 

Gestochen klare Bilder von uns in Wuppertal

 

Zu einem ähnlichen Schluss war der Schreiber dieser Zeilen in seinem Rückblick auf die „Stücke 2016“ im Hinblick auf Alice Buddebergs Inszenierung von Melles Erfolgs-Stück Bilder von uns gekommen. Melle thematisiert in seinem Stück den Missbrauchs-Skandal am altsprachlichen, von Jesuiten geführten Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg, das der Autor selbst als Schüler besucht hat. Er greift jedoch nicht auf die Mittel des Dokumentartheaters zurück, sondern entwickelt eine fiktive Geschichte. Hauptfigur Jesko, in leitender Funktion bei einem großen Medienkonzern tätig, erhält auf seinem Mobiltelefon anonym ein Bild zugespielt, das ihn nackt als ca. zwölfjährigen Jungen zeigt. Das wirft den selbstbewussten, erfolgreichen Medienmanager, der die Übergriffe aus der Schulzeit längst verdrängt hat, aus der Bahn. Er beginnt zu reflektieren - und bei seinen Mitschülern zu recherchieren, die allesamt erfolgreich in herausgehobenen Positionen in der Gesellschaft tätig sind. Mit Ausnahmen: Konstantin ist gebrochen, arbeits- und lebensunfähig aufgrund der Erfahrungen, denen er in seiner Schulzeit ausgesetzt war. Und der Erfolgreichste von ihnen sitzt mittlerweile im Knast - wegen Pädophilie.

Von der Aufführung des Theaters Bonn beim Mülheimer Dramatiker-Wettbewerb behauptete der Autor dieser Zeilen, es sei der „vordergründig … konventionellste“ Text des Wettbewerbs. Buddebergs sensible und konzentrierte Inszenierung beschränke sich auf die individuellen Schicksale und vernachlässige den gesellschaftspolitischen Resonanzraum des Stückes. Der erst 28jährige Regisseur Henri Hüster hat das Stück nun am Schauspiel Wuppertal nachinszeniert und deutlich prägnantere Bilder gefunden. Das beginnt bereits mit der Eingangs-Szene: Durch einen Gaze-Vorhang hindurch sehen wir, wie sich sechs der sieben Schauspieler um eine lebende griechisch-römische Statue mit einem Lendentuch gruppieren. Dieses Tuch wird Alexander Peiler bald abstreifen und dann lange Zeit vor uns stehen, nackt wie Gott ihn geschaffen hat. Denn Peiler ist Konstantin, und der ist schutzlos geblieben nach dem Missbrauch an seiner Schule; als einziger der fünf Klassenkameraden, von denen wir erfahren, hat er keine Strategie gefunden, mit der erniedrigenden Erfahrung umzugehen. Es gibt den Verdränger, den Aufklärer, den Bagatellisierer, den heutigen Knasti - alle sind oder waren sie erfolgreich. Und es gibt das Opfer, das niemals ins Leben zurückfand: Konstantin. Er wird sich das Leben nehmen und das Stück damit auf den Kulminationspunkt treiben. Kanonartig über Lautsprecher wird der Suizid geschildert. Die Wuppertaler verlassen in Scharen das Theater; der Connaisseur ist hingerissen, wieviel man aus dem schon in Bonn überzeugenden Text herausholen kann.

Nacktheit als Metapher für Schutzlosigkeit: Das ist eine Tradition aus dem Tanztheater. Tatsächlich arbeitet Hüsters Inszenierung mit Choreografie und skulpturalen Bildern; mit Sylvana Seddig wurde hierfür eine der interessantesten und talentiertesten Nachwuchs-Choreografinnen, selbst eine der stärksten Tänzerinnen in der Tanztheater-Szene, verpflichtet. Masken ebenso wie Bewegungen und statische Momente versinnbildlichen die Formen der Identitätsfindung der missbrauchten Menschen und ihren Umgang mit der Vergangenheit im Erwachsenenalter, mit Verdrängung oder Öffnung - und mit Ängsten. Die Masken rekurrieren auf die griechische Tragödie - ebenso wie die immer wieder eingestreuten chorischen Passagen. Immer mal wieder docken die metaphorischen Bilder dieser verblüffend genau gedachten Inszenierung ganz konkret an einzelne Textstellen an: „Ich lasse mir nicht einen … zweiten Schuldkopf wachsen, nur weil ihr eure Ausreden braucht“, flüchtet Jesko Drescher, der Mann, auf dessen Handy das erste inkriminierte Foto gelandet war, vor den Schuldkomplexen, die die Opfer so häufig selbst befallen. Die Zahl der Masken auf der Bühne hat in diesem Moment zugenommen. Jesko erinnert sich an eine Aussage von Stein, dem Ober-Pädophilen-Studienrat: „Es ist eine Frage der geschmacklichen Bildung … Wer Geschmack hat, inszeniert die Körper wie antike Statuen.“ Und da steht Konstantin, halbnackt, seelisch verödet, verdreht: als antike Statue. Da stehen die inaktiven, zuhörenden Schauspieler: regungslos wie antike Statuen. 

Nacktheit als Metapher für Schutzlosigkeit: Das trifft auch inhaltlich zu. Die Internatskinder, die im Beisein ihrer Lehrer duschten, die sich das Fieberthermometer in den Hintern schieben lassen mussten, die fotografiert wurden, waren nackt - und sie waren schutzlos in ihrer Nacktheit ebenso wie sie schutzlos vor den Angriffen und Drohungen der Padres waren. Melles Text ist so sensibel geschrieben, dass der Zuschauer das Empörende der Vorgänge empfindet, ohne dass jemals voyeuristische Bilder vor seinem geistigen Auge entstehen.

In der ersten Szene fährt Jesko, als ihm im Auto das erste Pädophilen-Bild auf sein Mobiltelefon gespielt wird, fast eine Lehrerin über den Haufen. Bei einem zufälligen zweiten Treffen mit dieser Lehrerin wird er sagen: „Die Fakten und die Unfälle und die Zufälle verschwimmen.“ - Dieser Satz könnte der Ausgangspunkt der seinerzeitigen Bonner Inszenierung von Alice Buddeberg gewesen sein: Offenbar bewusst verschwammen dort die Wahrnehmungen, die Aussagen der betroffenen Personen. Was in Bonn verschwamm, wird in Wuppertal präzise und ohne Angst vor Grausamkeiten auf den Punkt gebracht - als Erschrecken. Präzision findet sich auch in der Sprache: Hüster gelingt es wie beiläufig, die vielen Metaphern, die unauffällig in Melles Text schlummern, ans Licht zu bringen, die vielen Bedeutungen des „Bildes“ beispielsweise, vom Handy- bis zum Radarfallen-Bild, vom Bild in der Kunst bis zur Inszenierung des Selbstbilds und den verbotenen Bildern im Besitz des verhafteten Matuschka. Präzise, gleichwohl oft eher zeichenhaft als naturalistisch, wird die Entwicklung der einzelnen Figuren aufgezeigt: Jesko, von Stefan Walz souverän und überzeugend gespielt, beginnt als investigativer Rechercheur und sitzt bald in der Klemme: Er möchte verdrängen, aber längst ist es zu spät. Malte, mit Konstantin Rickert ein wenig zu jung besetzt und allzu aufgekratzt gespielt, verdrängt zu Beginn, bevor ihn die Erinnerung aufwühlt und er zum Antreiber der Aufklärung wird. Johannes ist bei Martin Petschan ein wie aus dem Ei gepelltes, arrogantes kleines Männlein, das gegen seine Komplexe ankämpft.     

Henri Hüster gelingt es auch, die gesellschaftspolitische Dimension des Textes präzise herauszuarbeiten. Die Dramaturgin Barbara Noth hatte vor der Premiere den Anspruch formuliert, die Identitätswerdung junger Menschen in der Schulzeit und die Folgen im Erwachsenen-Leben in den Fokus der Inszenierung zu stellen: „Es geht um die Frage, wie bin ich zu dem geworden, der ich bin, sei es durch Verdrängung oder dadurch, „in den Brunnen zu gucken“.“ Tatsächlich gelingt der Inszenierung viel mehr. Schon in dem eindringlich gesprochenen Prolog klingt die Frage an, inwieweit der Ich-Erzähler „Opfer des Gesamtsystems“ geworden ist. Gedanken aus der #metoo-Debatte werden aufgegriffen: Es wird reflektiert, inwieweit autoritäre Machtstrukturen Voraussetzung für Missbrauch sind. Andererseits: „Denken Sie an die Reformpädagogik.“ Vielleicht aber sind auch Reformpädagogen, einfach weil sie Pädagogen sind, aus Sicht eines 12jährigen Autoritätspersonen …   

Wuppertal hat ein echtes Highlight im Programm. Diese Bilder von uns haben Tiefenschärfe und erscheinen gestochen klar.