„Ich brauche keinen Applaus, brauche kein Publikum. Ich spiele für die Sache.“ (Prächtel)
Drei Schauspieler, zwei Männer und eine Frau, sitzen in einem Wartezimmer oder Vorraum. Sie warten auf den Beginn einer Fernsehsendung, einer Talkshow. Alle scheinen nicht so genau zu wissen, warum sie hier sitzen und wozu sie gebeten werden. Sie warten und warten - und nichts geschieht. Was läge näher, als über das Spielen und das Theater zu sprechen?
Theresia Walser hat einen ungemein scharfsinnigen und zugleich köstlichen Text geschrieben über Fragen wie: Was macht Schauspiel glaubhaft oder authentisch? Wieviel Distanz des Spielers zu seiner Rolle ist nötig? Welchen Wert haben die Tugenden des hergebrachten Theaters? Und was hat das alles mit unserer Wirklichkeit zu tun?
Die Bühne im Studio des Schauspiels Dortmund bietet sich für diese Inszenierung an, die man hautnah miterlebt. Ein runder, schwarzer Tisch steht in der Mitte. Vor jedem der Akteure ein Mikrofon. Eine ringförmige Lampe beleuchtet von oben die Szene. Die Schauspieler warten, das weitere Prozedere ist unklar. Sie beginnen, über sich, ihre Kunst zu sprechen. In erster Linie über ihre Verkörperung von Hitler. Da ist Franz Prächtel (Uwe Rohbeck), der Älteste im Kreis. Gleich beginnt er, von seiner Darstellung des Hamlets 1993 selbstverliebt zu schwärmen. Für die Darstellung von Hitler übte er ewig die Bewegungen von Parkinson-Kranken ein, um authentisch zu sein. Für ihn zählen die klassischen Schauspielertugenden, so der Dramaturg Matthias Seier: „Der Text ist heilig, die Musik der Sprache, die Stimme, das Wort, alles ganz naturalistisch.“ Dagegen meint der um Einiges jüngere Peter Soest (Ekkehard Freye) zu seiner Hitlerdarstellung: „Ich habe in jeder Sekunde das Unmögliche der Darstellung sichtbar gemacht.“ Nie habe er ihn als Mensch gespielt. Gehässig mokiert er sich über Prächtel und seinen Parkinson-Tatterich. Eine Anspielung der Autorin auf Bruno Ganz und „seinen“ Hitler in Der Untergang. So sehr sich die beiden Herren beharken - so bilden sie doch eine Front gegenüber der jungen Ulli Lerch (Alexandra Sinelnikova), die bisher „nur“ Goebbels darstellen durfte. Was sie als klugen, dramatischen Kniff empfand.
Regisseur Thorsten Bihegue hat diese Rolle mit einer Frau besetzt, anders als im Original, um die Reibereien zwischen den Geschlechtern noch in den sowieso schon unterhaltsamen Abend einzubringen. Ulli Lerch schwärmt vom realitätsnahen Theater in Göttingen (“Wenn die Wirklichkeit ins Theater hineinrülpst“) und freut sich schon darauf, demnächst einen von sieben Hamlets und zwar Hamlets Vater spielen zu dürfen - frei nach dem Konzept „Hamlet, eine multiple Persönlichkeit“. Sie will, jung und dynamisch, alte Formen sprengen und den Graben zum Publikum zuschütten. Ganz im Gegensatz zu Prächtel, der vom Regisseur Dieter Fels schwärmt, der einen Text wie eine Partitur zum Klingen brachte und keinen Videoschnickschnack brauchte.
Es ist eine ungemein witzig-kluge Textvorlage, die Bihegue mit drei erstklassigen Schauspielern kongenial umsetzt. Es stimmt alles bei dieser spritzigen Komödie: Timing, Mimik, kleine Bösartigkeiten die Menge, Pointen. Ein Abend, der Insider an zahlreiche Kantinen- und Probeabendgespräche erinnern wird, der aber auch anknüpft an die von Daniel Kehlmann gesteuerte Regietheaterdebatte der vergangenen Jahre. Was zählt mehr? Der Text, der Schauspieler oder der Regisseur? Soll ich als Zuschauer mit Neuem konfrontiert werden oder kann ich mich mit Vertrautem identifizieren?
Wie auch immer. Eine überaus erfrischende und unterhaltsame Produktion, die man sich nicht entgehen lassen sollte.