Gibt es ein einträchtiges Zusammensein von Menschen und Maschinen in einem intelligenten Universum?
Sibylle Berg hat mit ihrem Stück Wonderland Ave einen Blick in eine möglicherweise nicht allzu ferne Zukunft geworfen, in eine dystopische Welt, in der Menschen in einer von einer herrschenden künstlichen Intelligenz geschaffenen und kontrollierten Umgebung leben. Bedenkt man, was man heute schon der digitalen Regelung überlässt – sei es die Bestellung beim Supermarkt, die online-Suche nach einem Partner, die Order von Reisetickets … die Liste lässt sich endlos verlängern - , so ist die Idee, dass der Mensch ganz von Maschinen und Robotern abhängig sein könnte, nicht von der Hand zu weisen.
Der Regisseur Ersan Mondtag hat auch die Bühne für diese Inszenierung entworfen. Er schuf ein überaus beeindruckendes Bühnenbild für diese Enklave, in der zwei Menschlein ihr zwar von künstlicher Intelligenz behütetes, aber emotional recht verarmtes Leben fristen – das ultimative Freiheitsgefühl ist hier „ein Leben mit unbegrenztem kostenlosen Film- und Musikangebot“. Ein Saal in einem Museum oder einer Galerie. Zahlreiche Bilder an den hohen Wänden, bekannte Exponate aus der Kunstgeschichte, oft etwas verfremdet – erscheint doch häufiger dabei ein Abbild von Bruno Cathomas. Er ist einer der beiden Menschen, die in dieser „neuen Welt“ leben. Zusammen mit Kate Strong. Das Adam-und-Eva-Motiv ist hier ebenso wie in diversen anderen Varianten zu finden. So auch in der berühmten Cranach-Darstellung. Mitten im Raum liegt eine überdimensional große Skulptur, eine recht genaue Nachbildung von Cathomas. Dahinter eine fast ebenso große weibliche, nackte Figur mit verhülltem Haupt. Zu Beginn des Abends schläft der Schauspieler Cathomas auf dem Bauch seines großen Ebenbildes, Strong zwischen den Schenkeln der Figur. Man hört Grillenzirpen und Vogelzwitschern. Eine blecherne Stimme wünscht „Guten Morgen!“. Einer der fünf Roboter fügt hinzu: „Ein bezaubernder Tag in dieser Einrichtung beginnt.“ Die fünf Roboter (Sophia Burtscher, Jonas Grundner-Culemann, Elias Reichert, Sylvana Seddig, Nikolay Sidorenko) , die hier das Regiment führen und die beiden Menschen zwingen wollen, einen bestimmten Tagesablauf einzuhalten („Gehen Sie Ihre Kernkompetenzen bitte durch!“), bewegen sich mit kontrollierten Trippelschrittchen und abgezirkelten Gesten, ihre Mimik ist dank der dicken Schminke reduziert. Ein hochmütig-mokantes Lächeln zeigt sich dennoch ob der ungebärdigen Insassen manchmal. Sie sprechen monoton und betonen häufig die Worte falsch. Bruno Cathomas rebelliert wie ein aufmüpfiges, großes Kind gegen „Wonderland Avenue“ („ein Name wie ein Gericht“) und beschimpft die Roboter als „Kackautomaten“, „Blechbüchsen“ oder „schlecht programmierte Transistorradios“. Was ihm ab und an eine Bestrafung durch Stromschläge einträgt. Wehmütig seine Erinnerungen an ein von Emotionen geprägtes früheres Leben. Kate Strongs Rebellion ist wesentlich aggressiver („Wir können die Welt nicht den Maschinen überlassen.“). sie tobt immer wieder heftig. Dennoch: jeglicher Protest ist sinnlos. In einer kontemplativen Phase sitzen Cathomas und Strong in ihren Sesseln und weinen hemmungslos. Ihnen scheint endgültig klar zu sein, dass sie keine Chance gegenüber der Allmacht der künstlichen Intelligenz haben.
Was diese Inszenierung so eindrucksvoll macht, sind neben dem exzellenten Ensemble die optischen Eindrücke in ihrer Perfektion bis ins Detail: Sie fesseln und tragen trotz einiger Längen durch den Abend.