The Taming of the Shrew im Globe Theatre Neuss

Wer zähmt hier eigentlich wen?

Schon vor 40 Jahren, als ich Shakespeares sexistischstes Drama Der Widerspenstigen Zähmung zum letzten Mal sah, war die Vergewaltigung in der Ehe noch nicht strafbar, und gerade erst hatte der Bundestag die Reform des Ehe- und Familienrechts beschlossen, der zufolge die Frau auch ohne Zustimmung ihres Ehemanns ein Arbeitsverhältnis eingehen durfte. Doch schon damals ging dieses Stück gar nicht: Der wohlhabende Kaufmann Baptista aus Padua hat zwei Töchter, die liebreizende, von den verzogenen Oberschicht-Söhnen Lucentio und Hortensio sowie dem bereits in die Jahre gekommenen Grumio umworbene Bianca und den unangepassten wilden Feger Katharina. Vehement widerspricht Katharina jeglichem Versuch einer männlichen Dominanz. Zum Leidwesen Lucentios und Hortensios hat Baptista beschlossen, die hübsche Bianca erst zu verheiraten, wenn auch die ältere Schwester endlich unter der Haube ist. Es findet sich der Veroneser Edelmann Petruchio, der das kratzbürstige Kathrinchen als Herausforderung betrachtet und den Willen der Dame mit allerlei willkürlichen Schikanen und erpresserischen Methoden bricht. Katharina wandelt sich zur braven, anschmiegsamen Langweilerin und richtet anlässlich eines gemeinsamen Banketts, an dem auch der bei Bianca zum Zuge gekommene Lucentio und der sich inzwischen mit einer jungen Witwe tröstende Hortensio teilnehmen, einen im 21. Jahrhundert empörend anmutenden Appell an ihre Geschlechtsgenossinnen zur bedingungslosen Unterwerfung unter das männliche Geschlecht. Zu Shakespeares Zeiten war das ein Happyend: Auch wenn mancher wohlwollende Literatur- und Theaterkritiker diese Rede später in Spott und Ironie umzudeuten versuchte, war es Shakespeare mit dem Chauvinismus wohl ernst. Als auf kommerziellen Erfolg angewiesener Eventmanager in eigener Sache hat er sein männliches Publikum jedenfalls schamlos bedient. Heutzutage kann man als Freund selbstbewusster junger Frauen seine Hoffnungen nur in Bianca und die schöne Witwe setzen, die auf Katharinas altmodisches Familienbild und die Unterwerfungsversuche ihrer eigenen Männer nunmehr selber zickig regieren.

Mit dem Eingangs-Zitat aus Katharinens Aufruf zur Unterwerfung beginnt die Aufführung des Theaters Papahema aus dem polnischen Bialystok. „Your husband is your lord, your life, your keeper, your head, your sovereign“, erklingt es rhythmisch immer wieder wie ein ironisches musikalisches Leitmotiv. Konterkariert wird der Spruch vom überraschenden Erscheinungsbild des Widerspenstigen-Dompteurs: Der eitle, androgyne Petruchio des Mateusz Trzmiel ist schwul. Er wird die Käthe zähmen, aber das Ganze ist ein Deal und hat mit der Hoffnung auf Liebe oder mit der Sehnsucht, „ein Stück mit ihr zu plaudern“, weniger zu tun als mit handfesten finanziellen Interessen. Die Bewerbungsrede bei Baptista (Piotr Wiktorko), mit der Petruchio um die Hand Katharinas anhält, gerät Trzmiel zu einem witzigen, humorvollen Kabinettstückchen. Tänzelnd versucht er Baptista zu umgarnen, aber auf die Zweifel des künftigen Schwiegervaters reagiert er selbstbewusst und fordernd. Ohnehin hat dieser Petruchio zwei Gesichter: Streng und durchaus maskulin geht er bei der Zähmung seines Käthchens vor, und auch vor handfesten Schlägereien weicht der anfangs so feminin wirkende Petruchio nicht zurück. Ohnehin ist die Aufführung sehr körperbetont: Da wird pantomimisch geschlagen, was das Zeug hält, da wird getanzt, da wird Petruchio von seinen Damen schon mal auf dem Rücken getragen – und da wird des Öfteren auch mal ziemlich aufgekratzt krakeelt. Sylwia Janowicz-Dombrowolkas oft sehr burleske Inszenierung verhehlt nicht die Nähe des Shakespeare-Stücks zur italienischen Commedia dell’arte. Die meisten Schauspielerinnen und Schauspieler haben bei der Ausübung ihres eigentlichen Berufs durchaus Luft nach oben: Am überzeugendsten ist die Aufführung immer dann, wenn Anna Sawicka-Hoduns temperamentvolle Choreographien zum Einsatz kommen.

Zum Beispiel gleich zu Beginn, wenn die drei Katharinas einen ihrem aufrührerischen Charakter entsprechenden provozierenden Tanz aufs Parkett legen: Der eigentliche Clou der Inszenierung ist nämlich die Besetzung der Katharina mit gleich drei, vom Typus und Charakter her klar unterscheidbaren Schauspielerinnen, die mal einzeln, mal gemeinsam auftreten. Helena Radzikowska widersetzt sich dem Patriarchat am nachhaltigsten. Ihre Katharina zählt sich zu den Erniedrigten und Beleidigten; zu Beginn lehnt sie sich laut und aggressiv auf, um im Rahmen ihrer Zähmung in ein nahezu depressives Verhalten zu verfallen. Petruchio scheint seine Macht über sie besonders zu genießen. Stolz und abwartend verhält sich die Katharina der Paulina Mo?, die sich aber, als Petruchio die Damen durch Schlaf- und Essensentzug zu domestizieren versucht, ihrem Peiniger in sexy Unterwäsche nähert und ihre erotischen Reize entdeckt. Katarzyna Pietruska ist die sowohl körperlich als auch intellektuell attraktivste der drei Katharinen, schlagfertig sowohl mit dem Mund als auch mit den Händen: Die greift ihrem Petruchio im Streit auch mal herzhaft in die Eier. Die Zähmung beginnt, wie wir wissen, bereits mit der frühen Hochzeits-Zeremonie, bei der sich Petruchio mächtig danebenbenimmt. Katarzyna Pietruska nimmt das souverän: Mit der Eleganz einer Kate Middleton nimmt sie ihren unerwünschten Gatten bei der Hand – und es kommt zum Kuss. Souveränität zeigt sie auch, als Petruchio nicht zum Hochzeitsmahl bleiben will. Pietruska geht erst, wenn’s auch ihr gefällt: „Ein Weib wird, siehst du, schnell zum Narr'n gemacht, wenn sie nicht Mut hat, sich zu widersetzen.“ – Petruchio, dieser Stiesel, wird sie daheim einfach vor den Fernseher setzen und ihr nichts zu essen geben. Grumio vergewaltigt sie fast, aber sie wäre bereit, sich ihm hinzugeben für ein paar Krumen Brot. Petruchio, pflege diese Dame gut. Diese Katharina jagen wir dir gerne ab!

Wir wissen: Eigentlich geht die Geschichte traurig aus – mit der Widerspenstigen Zähmung halt. In der unterhaltsamen, aber auch kreativen Inszenierung aus Polen erscheint Petruchio irgendwann in Frauenkleidern. Da war doch was mit homoerotischen Neigungen? Die drei Katharinen küssen ihn am Ende: „Your husband is your lord, your life, your sovereign.“ In Padua aber ist noch nicht Hopfen und Malz verloren: Da hat jetzt Bianca die Hosen an.