Übrigens …

Das Schloss im Schauspielhaus Düsseldorf

„People are strange when you’re a stranger.“ (The Doors)

Franz Kafka hinterließ zwei unvollendete Romane, Der Prozess und Das Schloss, die beide dramatisiert wurden. Das Schloss wurde 1953 im Berliner Schlossparktheater in der Bühnenfassung von Max Brod, Kafkas Freund und Herausgeber, uraufgeführt.

Der Schauspiel- und Opernregisseur Jan Philipp Gloger, der in dieser Spielzeit die Schauspieldirektion am Staatstheater Nürnberg übernimmt, brachte am Düsseldorfer Schauspielhaus 2016/2017 Elfriede Jelineks Licht im Kasten heraus. Jetzt inszenierte er hier Kafkas Das Schloss.

Die Einrichtung der Bühne besteht aus sechs überdimensional großen Palettenwänden, die zu Beginn des Abends eine Front bilden und so an ein Schloss bzw. an einen versperrten Zugang zu einem dahinter vielleicht verborgenen Schloss denken lassen. Im Laufe des Abends werden sie immer wieder verschoben und es ergeben sich - auch dank der Drehbühne - fortlaufend neue Szenenbilder bzw. Ein- und Durchblicke. Die neutralen Holzlatten erlauben keinen Rückschluss auf ein reales Schloss.

Moritz Führmann spielt überaus prägnant den Landvermesser K., dessen vergeblicher Kampf um seine Anerkennung und die Arbeit eben als Landvermesser das Thema des Romans bzw. des Stückes sind. Mehr und mehr gerät er in die Mühlen der in keiner Weise transparenten Bürokratie des Schlosses, der Klamm, ein hoher und mächtiger Beamter vorsteht. Ihn sucht man vergeblich auf der Bühne, man hört nur von ihm. Die Schlosswelt ist eine für Fremde feindliche Welt. „Gastfreundschaft ist bei uns nicht Sitte“, so der Vorsteher (Thomas Wittmann). Die Wirtin (Claudia Hübbecker) sagt es K. auch mehr als deutlich: „Herr Klamm ist ein Herr aus dem Schloss. Sie sind ein Fremder, einer, der überzählig ist.“ Die Leute im Dorf haben sich gut arrangiert mit den verworrenen Hierarchien und den unübersichtlichen Amtswegen in dieser engen, vom Schloss dominierten Welt, aber K., dem Fremden, versperren sich stets aufs Neue alle Türen und Wege. Auch wenn ihm alle Mittel recht zu sein scheinen, sein Ziel zu erreichen - jeder Versuch scheitert letztlich. Sei es, mit dem Boten Barnabas ins Schloss zu kommen, sei es über das Ausschankmädchen Frieda (Tabea Bettin), der früheren Geliebten Klamms, weiterzukommen. Wirtin und Vorsteher sind auch keine Hilfe bei K.s verzweifelten Versuchen, Arbeit und einen Platz in der Gesellschaft zu erlangen.

Führmann, dem auch beachtliche sportliche Qualitäten abverlangt werden - klettert er doch so manche Holzwand auf und ab, ein treffendes Bild für die Tortur seiner Suche („Ich will mein Recht.“) - , glänzt in der Rolle des Protagonisten. Ebenso beeindruckend das Spiel des Ensembles, wobei Florian Lange als Lehrer und Jonas Friedrich Leonhardi als Barnabas noch besonders zu nennen wären. Aber auch K.s Gehilfen, Nils Kretschmer und David Vormweg, tragen zum äußerst intensiven, lebendigen Spiel bei. Wobei sie sich vornehmlich wie große Jungs raufen und balgen. Auch das steigert die allgemeine Verwirrung.

Der Zuschauer muss aus allem - auch aus den präzise gesetzten Dialogen - seine eigenen Schlüsse ziehen. Es ist ein intensiver Abend, der das Publikum in seinen Bann zieht und der das Ende offen lässt - wie im Roman. K. kommt immer wieder von seinem Ziel ab und sinkt in der gesellschaftlichen Hierarchie bis ganz unten. Aber es ginge noch weiter abwärts, hätte Kafka sein Werk beendet. So warnt Barnabas K: „Gib acht, der Weg geht abwärts.“