„Man wird nicht erwachsen. Man wird nur älter.“ Deniz
Wie Lutz Hübner in einem Interview richtig feststellte, ist heute der Abiball „ein Groß-Ereignis, an dem Eltern, Verwandte und Lehrer teilnehmen…. Eine Art Abschiedszeremonie“. Viele Jugendliche verlassen danach das Elternhaus, um zu studieren, eine praktische Ausbildung anzufangen oder für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Es wird viel in diese Festivität investiert: in die Vorbereitung, u.a. durch das Schüler-Abiball-Komitee, in die aufwendige Gestaltung des Abends, Ballkleider für die Mädchen inklusive.
Lutz Hübner und Sarah Nemitz gehören zu den meist gespielten Gegenwartsdramatikern auf deutschen Bühnen. Ihr Stück Frau Müller muss weg wurde von Sönke Wortmann verfilmt und ist daher einem breiten Publikum bekannt. Inspiriert vom Abiball der eigenen Tochter, entstand mit „Abiball ein weiteres Stück aus dem Bereich Schule. Nach Hübner „einer der Orte, wo Leute zusammenkommen, die sich normalerweise nicht begegnen würden“. Beim Ritual dieses Festes, wo das Gefühl „Jetzt wird etwas anders.“ dominiert, kommen die unterschiedlichen Hoffnungen und Ängste – sowohl bei den Eltern (Stichwort „empty – nest- Syndrom“) wie auch bei den Abiturienten – zum Vorschein, wenn man zusammen diesen einschneidenden Schritt der Jungen ins Leben feiert.
Schon das Bühnenbild dieser Uraufführung stimmt die Zuschauer auf den Anlass ein. Man sitzt an großen, weißen Tischen auf der großen Bühne. Ähnlich der Szenerie auf vielen Abibällen. Die Bar ist zu Beginn geöffnet. Ein Security-Mann (Andrei Viorel Tacu) und ein DJ als Stimmungsmacher gehören auch dazu. Alles kommt einem sehr authentisch vor, wenn man schon häufiger das Vergnügen hatte, an dieser Festivität teilzunehmen. Der Zuschauer verfolgt zum einen das Geschehen hautnah, wird aber gleichzeitig mit Videoeinspielungen (z.B. Großaufnahmen einzelner Akteure, auf den eisernen Vorhang projiziert) oder Youtube-Einspielungen konfrontiert. Bei diesem Nebeneinander von echtem Spiel und Videoeinspielungen lässt sich eine gewisse Hektik nicht vermeiden.
Die Figuren werden fast klischeehaft gezeichnet, was höchst unterhaltsam ist, zumal sie nie total bloßgestellt werden. Die Elterngeneration an diesem Abend besteht, wie heute so oft, aus Alleinerziehenden. So dem ehrgeizigen Helikopter-Vater Frank (Sebastian Tessenow), der seinem Sohn zwar „scientific English-Kurse“ vermittelt, aber keinen Wert auf soziale Kompetenzen gelegt hat. Minna Wündrich gibt die frustrierte Svetlana, die ihren Sohn Benno (Niklas Mitteregger) eigentlich nie richtig verstanden hat. Und an diesem Abend hat sie alle Mühe, ihre Mutter (köstlich: Manuela Alphons als starrsinnige Oma, die nie mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält und gern dem Alkohol zuspricht) im Griff zu haben. Cathleen Baumann glänzt als zickige Mutter der Jahrgangsbesten Lucy (Genet Zegay), die zwischen ihrem Exmann und Lucys biologischem Vater Michi (Jan Maak) und dem jugendlichen Lover Deniz (Serkan Kaya in T-Shirt und Baseballkappe) hin- und herpendelt.
Stellvertretend für das Lehrerkollegium sehen wir die verklemmte Direktorin Frau Bantzer (Meike Fuhrmeister), ihres Zeichens Musiklehrerein. Mehr als (gewollt) peinlich ihre Gesangsdarbietung mit „Flashdance“. Dagegen gibt sich der Kunstlehrer Sattler (Jürgen Sarkiss) „cool“ und glänzt am Ende des Abends mit dem Song „The long and winding road“. Wenn dann alle einstimmen, ist es etwas befremdlich. Es kommt dem Zuschauer wie eine rosa Sauce vor, die nach all den größeren und kleineren Zwistigkeiten zum Happy End überleitet.
Während die Erwachsenen von Mitgliedern des Ensembles gespielt werden, stellen Studenten des Salzburger Mozarteums die Schüler dar. Hier wären u.a. noch Vincent Sauer (als Streber Jonas, der zwischen Vater Frank und den Mitschülern den Spagat machen muss) und Naima Laube zu nennen. Letztere überzeugt als Malina, die wegen Kiffens von der Schule flog und jetzt ein nicht von allen gern gesehener Gast auf dem Fest ist.
Ein Abend, der unterhaltsam und treffend viele Aspekte dieses für Eltern und Jugendliche doch wichtigen Ereignisses aufzeigt. Etwas weniger Videoeinspielungen und „Cuts“ wären für den Theaterabend sinnvoll gewesen. Der nächste Schritt könnte die Verfilmung des Stoffes sein…