Harmonie ist (k)eine Strategie
Gottlieb Biedermann ist ein pflichtbewusster Bürger, dessen Leben in geregelten Bahnen verläuft. Als eines Abends ein Fremder ohne zu klopfen in sein Wohnzimmer eintritt, gerät die Biedermannsche Ordnung durcheinander. Trotz seines Verdachts, dass der Fremde ein Brandstifter sei, lässt Biedermann ihn mit einem Freund bei sich einziehen. Selbst als die beiden Benzinfässer ins Haus bringen, will Biedermann nicht der augenscheinlichen Wahrheit ins Auge blicken („Ich kann nicht Angst haben die ganze Zeit.“) – trotz der Herzkrankheit seiner Frau, die er oft erwähnt. Die Angst der Biedermanns wird jeden Tag existentieller, ihre Fehleinschätzung der Lage ebenfalls.
Reinar Ortmann, Intendant des Rheinischen Landestheaters und Regisseur von Biedermann und die Brandstifter, hat in seiner Produktion die „schweizerischen Elemente“ weggelassen und den Abend auf 75 Minuten verdichtet. Was der nach wie vor aktuellen Aussage des 1958 entstandenen Stückes keinen Abbruch tut. Biedermann ist ein typischer Spießbürger, der meint, die Umstände – hier das Auftreten der zwei Brandstifter – seinen Interessen anpassen zu können. Absolut fantasielos geht er davon aus, so die Situation im Griff zu haben. Gastfreundschaft und etwas guter Wille werden der – eigentlich unübersehbaren – Gefahr schon Einhalt gebieten.
Die Bühne zeigt einen schlichten Bungalow aus Sperrholz auf Stelzen. Im Souterrain ist also der Keller, der den Benzinfässern Platz bietet. Wir sehen ein sparsam möbliertes Wohnzimmer, zwei Sessel, eine große Topfpflanze. Ein zeitloses Ambiente, das auch gut in die Jetztzeit passt. Auch die Kostüme sind von heute.
Stefan Schleue überzeugt als Biedermann, der sich stets einredet, als Hausherr auch Herr der Situation zu sein, und dabei ein Meister der Verdrängung ist. Hergard Engert spielt seine gutmütige Frau Babette, die sich von dem charmanten Schmitz (sehr gut als geschickt lavierender Gauner: Richard Lingscheidt) und seiner subtilen Frechheit einlullen lässt. Peter Waros ist der zweite Brandstifter Eisenring, der Biedermann ihr Geheimnis verrät: „Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität. Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt einem niemand.“
Insgesamt eine ansprechende, überzeugende Inszenierung mit einem spielfreudigen Ensemble. Hier wäre noch als Dienstmädchen Anna Johanna Freyja Jacono-Sembritzki zu nennen, die zu einer Art Kassandra-Figur wird.